Sabbateanism is the matrix of every significant movement to have emerged in the eighteenth and nineteenth century, from Hasidism, to Reform Judaism, to the earliest Masonic circles and revolutionary idealism. The Sabbatean "believers" felt that they were champions of a new world which was to be established by overthrowing the values of all positive religions .” – Gershom Scholem
The Sabbatean-Frankist Messianic Conspiracy Partially Exposed
Institute for the study of Globalisation and covert Politics: Beyond the Dutroux Affairs

Sonntag, 1. August 2010

"Sabetha Sebi"-Drucke aus dem jahre 1666

Acht anonyme deutsche und polnische „Sabetha Sebi“-Drucke aus dem Jahre 1666.

Auf der Spur nach dem Drucker*

  • 1 Titel Wunderlicher Anfang / Dziwny …
  • 2 „Torturcomics“
  • 3 Titel Opisanie
  • 4 Titel Obszerna Cont.
  • 5 Titel Beschreibung
  • 6 Titel Umbständliche Cont.
  • 7 Titel Wunder-seltzsame Rel.
  • 8 Titel Idolum Judaicum
  • 9 E-Phi-3 vergrößert
  • 10 E-Phi-3 Schluss von Wunder-seltzs.
  • 11 vergrößertes P mit Beschädigungen
  • 12 russ. Handschrift
  • 13 Porträt Nathan
  • 14 Porträt Sabetha
  • 15 Titelseite Prob und Abdruck
  • 16 E-Phi-3-Liste aus Prob und Abdruck, „Tertia Fractur“

1. Einleitung

Sabbatai Zwi (in den hier behandelten Broschüren meistens „Sabetha Sebi“ geschrieben), 1626 in Smyrna (Izmir) geboren, war der bedeutendste jüdische Pseudo-Messias der Neuzeit. Zusammen mit seinem „Propheten“ (oder, modern ausgedrückt, seinem Manager) Nathan von Gaza gelang es ihm, in den Jahren 1665–1666 praktisch in der gesamten jüdischen Welt eine messianische Massenbewegung auszulösen, die in früheren Jahrhunderten – vor der Existenz gedruckter periodischer Zeitungen – undenkbar gewesen wäre. J. van Wijk in schreibt ihrem Artikel über Sabbatai Zwi und die Presse: „Shabbetai Zevi and Nathan of Gaza may have been the first people to profit from the dynamics of the mass media“[1]. In ganz Europa kursierten Pamphlete über den Messias, und auch die Wochenpresse berichtete ziemlich oft und meistens relativ sachlich über sein Auftreten.


Nach den Erwartungen seiner Anhänger sollte Sabbatai Zwi im Jahre 1666 persönlich vom türkischen Sultan in Konstantinopel zum König von Israel gekrönt werden. Zu einer solchen Krönung kam es nicht, sondern Sabbatai Zwi wurde im Februar 1666 in Konstantinopel (oder auch schon auf dem Weg dorthin) als politischer Aufwiegler festgenommen. Als er am 16. September desselben Jahres vom Sultan vor die Frage gestellt wurde, ob er lieber zu Tode gefoltert werden oder sich zum Islam bekennen wolle, wählte der „Messias“ die bequemere Alternative, die Konversion. In den ersten Monaten nach der Festnahme erschienen dann in Europa Flugblätter und Pamphlete, die von einer grausamen Hinrichtung des „Messias“ in Konstantinopel berichteten. Tatsächlich starb Sabbatai Zwi erst zehn Jahre später eines natürlichen Todes. Die letzten Jahre seines Lebens hatte er im Hausarrest in Albanien verbracht, jedoch anscheinend unter erträglichen Bedingungen.


Bei der Suche nach den Vorlagen für handgeschriebene russische Übersetzungen aus dem Jahre 1666 von Texten zu diesem Thema bin ich – eingerechnet ist hier ein Nachdruck mit dem gleichen Inhalt – auf insgesamt acht in deutscher und polnischer Sprache gedruckte anonyme Broschüren über Sabbatai Zwi und seinen Propheten Nathan gestoßen, die meiner Überzeugung nach alle in derselben Druckerei hergestellt worden sind. Es handelt sich dabei um sehr seltene Drucke; drei davon sind mutmaßlich Unikate, von den übrigen habe ich bisher zwei oder höchstens drei Exemplare gefunden, und zwar mit einer einzigen Ausnahme außerhalb Deutschlands. In der Bibliographie im Anhang des Standardwerks zum Leben und Wirken von Sabbatai Zwi von G. Scholem[2] sind ganze 44 anonyme Drucke aus den Jahren 1665–1668[3] aufgeführt; bemerkenswerter Weise ist darunter jedoch kein einziger der hier genannten acht „Sabetha Sebi“-Drucke, d.h. der berühmte Sabbatai-Biograph hat keinen dieser Drucke je gesehen. In den bekannten Bibliographien – z.B. in Karol Estreichers monumentaler Bibliographie Bibliografia polska (34 Bände) – wird ebenfalls keiner dieser acht Drucke erwähnt. Auch im Rahmen des umfassenden Digitalisierungsprojekts über die deutschen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17[4]) ist kein einziger davon erfasst. Nur eine der relevanten Ausgaben habe ich überhaupt in irgendeiner Bibliographie gefunden.


In den Bibliothekskatalogen sind die acht Broschüren sämtlich ohne Angabe des Druckers und des Druckortes verzeichnet. In der vorliegenden Arbeit wird der zunächst nur intuitive Verdacht, dass wir es hier mit einer ganzen Serie von Pamphleten aus ein und derselben Druckerei zu tun haben, an Hand von verschiedenen nachprüfbaren Indizien – vor allem typographischer, jedoch auch kulturhistorischer und anderer Art – untermauert; dem Drucker wird damit seine Anonymität genommen.


2. Polnische Broschüren über Sabbatai Zwi in der British Library

Dass es Drucke auf Polnisch über Sabbatai Zwi und auch speziell über seine – niemals stattgefundene – Hinrichtung nicht nur gegeben hat, wie Angaben in einem 1669 erschienenen Buch von Ioanikij Galjatovskij[5] nahelegten, sondern dass diese Drucke sogar bis in unsere Zeit erhalten sind, wurde bis vor relativ kurzer Zeit noch für unwahrscheinlich gehalten.[6] Im Jahre 1988 erwarb jedoch die British Library drei „polnische“ Broschüren über Sabbatai Zwi, die im folgenden Jahr im Mitteilungsblatt dieser Bibliothek von H. Świderska vorgestellt wurden[7]. Darunter befand sich u.a. ein zweisprachiger Druck mit dem Titel „Wunderlicher Anfang und Schmählicher Außgang Des Jüdischen Königes SABETHA SEBI, Welcher Gestalt Derselbige auff Befehl Des Türckischen Käysers gerichtet worden Hat der Leser auß folgender Relation und dem beygefügtem Kupfer mit mehrem zu vernehmen. Anno 1666“, bzw. auf Polnisch (unterer Teil der Titelseite): „Dziwny Pocżątek á straśny Koniec/ ták nazwanego Zydowskiego Kroła/ SABETHA SEBI...“[8] (Kurztitel: Wunderlicher Anfang; s. Abb. 1). Später habe ich in der Universitätsbibliothek von Thorn / Toruń sowie in der Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Danzig / Gdańsk jeweils ein Exemplar eines anderen Druckes gefunden, mit genau dem gleichen Inhalt; auch das Format und die Kollation ist identisch. Die Exemplare in Thorn und in Danzig[9] enthalten jeweils ein Faltblatt in Folioformat mit einem Kupferstich, auf dem die wichtigsten Ereignisse im Leben des „Messias“ dargestellt sind, u.a. auch die Tortur (Abb. 2): wie ihm die Zunge aus dem Hals geschnitten wird, wie er lebendig geschunden wird, an den Füßen aufgehängt und schließlich „Wie die abgezogene Haut außgefüllet/ und zum Spectacul auffgestecket worden“ (zitiert aus dem Text der Broschüre, S. [8]). Identische Drucktypen und Ornamente weisen darauf hin, dass wir es nicht mit einem Nachdruck eines anderen Druckers, sondern mit einer Neuauflage aus derselben Druckerei zu tun haben. Offenbar ließ sich die schaurige – wenn auch ganz und gar erfundene –Geschichte recht gut verkaufen; das Faltblatt war ja durchaus auch zum Ausschmücken einer kahlen Zimmerwand geeignet, etwa zur Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens oder als Warnung vor übertriebenem Hochmut, denn der Text der Broschüre beginnt mit den Worten „Es bleibet dabey/ wie das gemeine Sprich-Wort lautet: Summa Cadunt omnia; Was so plötzlich hochgestiegen/ Muß auch plötzlich unten liegen.“

Von allen acht hier diskutierten Broschüren ist Wunderlicher Anfang die einzige, die ich überhaupt in irgendeiner Bibliographie gefunden habe, und zwar in einer Spezialbibliographie über polnische Judaica[10]. Die beiden anderen Broschüren auf Polnisch, die von der British Library gleichzeitig mit Wunderlicher Anfang erworben worden sind, sind selbst von der polnischen Spezialbibliographie nicht erfasst. Sie wurden erstmals von H. Świderska vorgestellt: „Opisanie Nowego Krola Zydowskiego Sabetha Sebi/ Ktorego Początek/ Starość/ Osoba/ Uczynki/ Przystawstwo/ y cuda/ Jako teź Chrzeźćianow/ Zydow/ Turkow/ y inszich zdanie … Przy czym y KROLA tegoź Wlasney Osobey prawdziwy contrafect. W Rouku (sic!) 1666. drukowano“[11] (Kurztitel: Opisanie; Abb. 3) und „Obszerna CONTINUATIA, w ktorey sie znajduje Dalszy PROGRESS, Tego co się w Orientalskich Krajach/ mianowicie w Jerusalem/ Szmyrnie/ y Alkairu : także w inszych rożnych miescach w nadzieię Zydowskiego do swoiey Oyczyzny powrocenia … Jako tesz y PROROKA NATHANA LEVI Prawdziwy Contrafect/ dziwny Ksztalt y Odzienie w miedzy wyrazone/ przytomne są. Drukowano w Roku 1666“[12] (Kurztitel: Obszerna Continuatia; Abb. 4). Alle drei polnischen Titel wurden schon 1669 von Galjatovskij erwähnt, und zwar so wörtlich (sowohl im Text als auch in der Form von bibliographischen Angaben am Rand), dass Galjatovskij die Broschüren nicht nur gesehen, sondern im Augenblick des Schreibens vor sich gehabt haben muss.



3. Deutsche Broschüren über Sabbatai Zwi, vor allem in polnischen Bibliotheken

Die Titelseiten der beiden rein polnischen Broschüren entsprechen dem Aussehen nach genau zwei Drucken in deutscher Sprache, von denen ich jeweils drei identische Exemplare gefunden habe, nämlich „Beschreibung Des Newen Jüdischen Königs Sabetha Sebi/ Dessen Vrsprung/ Alter/ Gestalt/ Thun/ Lassen/ Anhang und Wunderwercke … Wobey dann auch Des Königes Eigentliche Gestalt/ in Kupffer gestochen verhanden ist. Gedruckt im 1666 sten Jahre“[13] (Kurztitel: Beschreibung; Abb. 5) und „Vmbständliche CONTINUATION, Darinnen enthalten Der fernere Verlauff/ Was sich in den Orientalischen Ländern/ insonderheit Jerusalem/ Smyrna und Alkair … begeben … Da dann auch Des Propheten Nathan Levi Wahre Abbildung/ seltzame Gestalt und Kleidung in Kupffer gestochen/ hiebeygefüget ist …Gedruckt im 1666 sten Jahre.“[14] (im Folgenden: Umbständliche Continuation; Abb. 6). Auch inhaltlich stimmen die polnischen Broschüren mit den genannten deutschen überein.


In der Danziger Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften gibt es noch zwei weitere in der Sabbatai-Literatur bisher nicht erwähnte Drucke, auf die mich Frau Dr. Maria Pelczar, Direktorin der Bibliothek, freundlicherweise aufmerksam gemacht hat: „Wunder-seltzsame RELATIONES, Wegen eines in den Orientalischen Ländern Neu-erhobenen Propheten/ Wechem (sic!) eine grosse Menge Volcks von allerhand Nationen bereits zugelauffen/ und noch täglich zuläufft … Gedruckt in diesem 1666 sten Jahre.“[15] (Kurztitel: Wunder-seltzsame Relationes; Abb. 7) und „IDOLUM JUDAICUM. Das ist/ Der JUDEN Vergebliche Hoffnung/ Ihres zukünfftigen MESSIA, Darin dann auch beschrieben/ Des Königes und Propheten Ursprung/ Leben/ Zustand/ Regierung/ und RARITETEN/ deren sie sich rühmen … Gedruckt in diesem 1666sten Jahre.“[16] (Idolum Judaicum; Abb. 8). Auch diese beiden Drucke ähneln den bisher genannten Broschüren in typographischer Hinsicht sehr stark. (Polnische Versionen von diesen Ausgaben habe ich nicht gefunden.)


Wenn man von den beiden polnischen Übersetzungen und von dem Doppeldruck von Wunderlicher Anfang absieht, haben wir es mit insgesamt fünf inhaltlich verschiedenen Broschüren zu tun, die wohl alle innerhalb eines halben Jahres, etwa zwischen Februar und August des Jahres 1666, gedruckt worden sind. In den Bibliothekskatalogen gibt es für die acht Broschüren nicht einmal hypothetische Angaben über einen mutmaßlichen Drucker oder Druckort. Auch die Direktorin der Danziger Bibliothek, Dr. Maria Pelczar, die sich – wie auch schon ihre Eltern[17] – ausführlich mit frühen polnischen Drucken beschäftigt hat, teilte auf meine schriftliche Anfrage mit, der Druckort sei nach wie vor unbekannt[18].



4. Alle acht Pamphlete aus derselben Druckerei

Dafür, dass alle hier diskutierten Sabbatai-Broschüren auf Deutsch und auf Polnisch in ein und derselben Druckerei entstanden sind, sprechen sowohl typographische als auch kulturhistorische Indizien.

Unter den typographischen Indizien gibt es einerseits recht allgemeine Merkmale, die – jedes für sich genommen – keineswegs ausreichend wären, um zu beweisen, dass alle Broschüren in derselben Druckerei hergestellt worden sind, die jedoch zusammen in meinen Augen einem Beweis für einen gemeinsamen Ursprung sehr nahe kommen. Darüber hinaus gibt es auch spezifischere identische Elemente (mit stärkerer Beweiskraft), die jeweils in einigen der acht Broschüren nachweisbar sind. Ich nenne zunächst die allgemeinen Merkmale, danach die spezifischen Elemente.


a) Allgemeine Merkmale:

▫ Alle acht Broschüren sind aus demselben Letternbestand gesetzt; genauer gesagt: Für jede Schriftart – Fraktur, Schwabacher, Antiqua – ist bei gleichem Schriftgrad nur eine Type verwendet worden. (Allerdings ist nicht jede Type in allen Broschüren vertreten.)


▫ In sechs Broschüren ist der Brottext teils in Fraktur, teils in Schwabacher Schrift gesetzt. Eine Broschüre (Opisanie) hat im Brottext nur Schwabacher, eine (Idolum Judaicum) nur Fraktur. Sowohl dieser Fraktur- als auch dieser Schwabachertyp (jeweils mit deutschen und polnischen diakritischen Zeichen) ist identisch in den verschiedenen Drucken. Lateinische Wörter und Wortteile stehen wie üblich in Antiqua.


▫ In drei Broschüren – in Wunder-seltzsame Relationes und in den beiden Auflagen von Wunderlicher Anfang – ist der (deutsche) Text im Prinzip in Fraktur gesetzt; am Ende steht jedoch ein Abschnitt oder zwei in Schwabacher. Dabei liegt meiner Ansicht nach kein Platzmangel vor[19], sondern vermutlich waren Frakturlettern nicht in ausreichender Menge vorhanden.


▫ Die Titelseiten sind aus den gleichen sechs oder sieben größeren Schriftgraden (in erster Linie Fraktur; einzelne Wörter in Antiqua) aufgebaut, mit denselben Zierbuchstaben, allerdings nicht immer in derselben Kombination. In sechs der Broschüren gibt es auf der Titelseite auch Zeilen in Schwabacher Schrift (in Brotschrift-Größe) – in einem Fall (Idolum Judaicum) sogar, obwohl Schwabacher im Haupttext gar nicht vorkommt.


▫ In fünf der Broschüren kommt mehrmals ein kleines Ornament vor, das ich „ε-Φ-3“ nenne, weil das mittlere Element – horizontal betrachtet – eine gewisse Ähnlichkeit mit dem griechischen Buchstaben Φ aufweist; dieses ist verbunden mit einer Ziffer 3 rechts und einer gespiegelten 3 links (vgl. Abb. 9, vergrößert). Die „3-artigen“ Drucktypen sind fast alle mehr oder weniger beschädigt bzw. abgeflacht; sie erinnern häufig an den Buchstaben „E“. Diese Ornamente werden in den vorliegenden Broschüren vor allem vertikal verwendet; auf den hier abgebildeten Titelseiten in den beiden äußersten „Rauten“ der Zierleiste von Wunderlicher Anfang[20], zwischen dem deutschen und dem polnischen Titel (Abb. 1), in den vier mittleren „Rauten“ der Zierleiste von Opisanie (Abb. 3) sowie in der mittleren „Raute“ derjenigen von Idolum Judaicum (Abb. 8).


▫ In vier der Broschüren gibt es aus Eichelmotiven aufgebaute Zierstücke, die zum Teil mit Fragezeichen, Paragraphenzeichen oder der Form ( O ) kombiniert werden. (Vgl. die Titelseiten von Beschreibung, Umbständliche Continuation und Obszerna Continuatia sowie die Schlussvignette in Wunder-seltzsame Relationes, die aus Eichelmotiven, Paragraphenzeichen, einer ganzen Reihe von „ε-Φ-3“-Ornamenten und anderen Elementen aufgebaut ist; Abb. 10.)


Dabei enthält Wunder-seltzsame Relationes wirklich alle kleinen Ornamente, die in den anderen Broschüren verwendet wurden. Obwohl keine der genannten Übereinstimmungen für sich genommen einen Beweis darstellt, wäre ein zufälliges Auftreten von so vielen gemeinsamen Merkmalen bei Drucken aus verschiedenen Druckereien äußerst unwahrscheinlich.


b) Nach dem Kriterium „spezifische und satzidentische[21] Elemente“ sind die folgenden Gruppen jeweils miteinander verknüpft:


▫ Die beiden Auflagen von Wunderlicher Anfang nach den Exemplaren aus London bzw. Danzig – Thorn enthalten dasselbe Zierstück, eine Schlussvignette.


▫ In Beschreibung und Umbständliche Continuation ist die Zeile „Gedruckt im 1666 sten Jahre.“ in allen Einzelheiten identisch (satzidentisch) – sie muss als Block erneut verwendet worden sein.


▫ Auch der Komplex „CONTINUATI“ in Umbständliche Continuation und Obszerna Continuatia ist offenbar satzidentisch.


▫ Der Zierbuchstabe „P“ auf den Titelseiten von Umbständliche Continuation, Obszerna Continuatia und Idolum Judaicum hat die gleiche doppelte Beschädigung (in den Wörtern „Propheten“ und „Proroka“).


▫ In Obszerna Continuatia wurden für die großen Ziffern 6 in der Jahresangabe (1666) genau dieselben Lettern benutzt wie in Umbständliche Continuation und Beschreibung, nur die Reihenfolge ist hier anders (c a b anstatt a b c).


▫ Für das erste große Zier-S in „Sabetha Sebi“ von Opisanie und das zweite in Beschreibung wurde offenbar dieselbe Letter verwendet, mit einer Beschädigung in der oberen rechten Ecke (die Spitze ist abgeflacht). (Für die beiden anderen S-Zierbuchstaben könnte auch jeweils dieselbe Letter benutzt worden sein, aber sie enthält keine charakteristische Beschädigung.)


Beschreibung, Umbständliche Continuation, deren genaue polnische Entsprechungen Opisanie und Obszerna Continuatia sowie Idolum Judaicum bilden somit eine deutliche Gruppe, die durch identische Elemente miteinander verbunden ist. Aus der partiellen Satzidentität kann man schließen, dass diese fünf Broschüren sehr schnell hintereinander gedruckt worden sind – was ja auch aus anderen als typographischen Gründen sehr nahe liegt, insbesondere wenn derselbe Text in zwei Sprachen gedruckt werden soll.


Außer den genannten typographischen Indizien gibt es auch andere Hinweise darauf, dass alle Broschüren einen gemeinsamen geographischen Ursprung haben. So wurden die drei Londoner Exemplare im November 1988 von der British Library zusammen erworben (über Bloomsbury Book Auctions[22]). Die Thorner Exemplare von Beschreibung, Umständliche Continuation und Wunderlicher Anfang sind zusammen eingebunden (entsprechend einer früheren Katalogisierung tragen sie die Nummern 12, 13 und 14). In Danzig sind Beschreibung, Umständliche Continuation und Idolum Judaicum zusammengebunden. Überhaupt treten die Broschüren in den meisten Bibliotheken gruppenweise auf: Danzig besitzt ganze fünf – mit Ausnahme der beiden einsprachigen polnischen Drucke Opisanie und Obszerna Continuatia sowie des Zweitdrucks von Wunderlicher Anfang die ganze Serie![23] –, London und Thorn je drei, Amsterdam zwei (zusammen eingebunden); lediglich in einer Bibliothek, Greifswald, habe ich nur einen der acht Drucke gefunden.


In diesem Zusammenhang spielen auch die russischen Übersetzungen, die im gleichen Jahr in Moskau angefertigt wurden, eine Rolle. Vornehmlich zur Information des Zaren und seiner nächsten Ratgeber wurden im Moskauer Gesandtschaftsamt – Posol´skij prikaz – das ganze 17. Jahrhundert hindurch handgeschiebene russische Übersetzungen von ausländischen Zeitungen und Broschüren politischen Inhalts angefertigt. Zar Aleksej Michajlovič (der Vater Peters des Großen) war offenbar in den Jahren 1665–1666 sehr interessiert an jeglichen Nachrichten über Sabbatai Zwi, denn nie wurde ein entsprechender Bericht zu diesem Thema aus den Zeitungen, die überhaupt als Vorlagen für erhaltene Übersetzungen gedient haben, jemals ausgelassen. So wurde auch ein langer Text über die angebliche Hinrichtung übersetzt: „Divnoe načalo i strašnoi konec nevdavne nastavšago židovskogo proroka Nafana Levi i čerez nego pomazannago carja i mesii Sabeta Sebi...“[24] (deutsch ungefähr: ’Der wundersame Anfang und das schreckliche Ende des kürzlich erschienenen jüdischen Propheten Nathan Levi und des von ihm gesalbten Königs und Messias Sabeta Sebi’; s. Abb. 12[25]). Dabei schreibt der Übersetzer in seiner Einleitung, es handle sich um eine Übersetzung „aus polnischen gedruckten Couranten“ – wobei das auf Russisch verwendete Lehnwort, kuranty, zu der Zeit nicht nur die Bedeutung „geschriebene und gedruckte Zeitung“ hatte, sondern auch in Bezug auf einen anderen Druck mit politischem Inhalt gebraucht werden konnte.


Eine philologische Analyse der russischen Übersetzung und ein genauer Vergleich mit der zweisprachigen Broschüre Wunderlicher Anfang hat gezeigt, dass diese Broschüre – bzw. der polnische Text dieser Broschüre – in Moskau als Übersetzungsvorlage benutzt worden ist; die Einleitung des Übersetzers, „aus polnischen Couranten“, hat somit ihre Richtigkeit. Nicht ganz eindeutig zu entscheiden ist dagegen die Frage, ob die Ausgabe, die heute in Thorn und in Danzig aufbewahrt wird, oder die Ausgabe in der British Library als Vorlage gedient hat, denn die Unterschiede zwischen diesen beiden Drucken sind ausschließlich graphischer und orthographischer Art, z.B. Türkischen / Türckischen, aus / auß, Kupffer / Kupfer usw.[26] Es hat sich herausgestellt, dass auch Beschreibung Vorlage für eine zur Information des Zaren angefertigte russische Übersetzung war, und zwar zusammen mit Idolum Judaicum (in ein und derselben russischen Kompilation, ohne Übergang oder neue Überschrift) – diese beiden Broschüren sind also sicher ungefähr gleichzeitig im Moskauer Gesandtschaftsamt eingetroffen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass tatsächlich alle drei der bewiesenermaßen übersetzten Broschüren zusammen ankamen, aber einen Beweis dafür gibt es nicht.[27] Die Originalbroschüren sind in Moskau nicht zusammen mit den Übersetzungen erhalten geblieben (obwohl sehr viele periodische Zeitungen, nachdem sie übersetzt waren, archiviert wurden) – wurden sie vielleicht in die persönliche Bibliothek des Zaren integriert? Das ist allerdings eine recht müßige Spekulation, da sie in den bekannten Inventarverzeichnissen nicht erwähnt werden[28]; natürlich können sie auch einem Brand zum Opfer gefallen oder sonst irgendwie zerstört oder entwendet worden sein – z.B. durch die Übersetzer. Festzuhalten ist in dem hier relevanten Zusammenhang lediglich, dass offenbar mindestens drei der „Sabetha“-Broschüren nach Moskau kamen, mindestens zwei davon vermutlich mit der gleichen Post.


Ioanikij Galjatovskij hatte in den Jahren vor 1669, als er sein antijüdisches Werk verfasste (s. Anm. 5), ebenfalls gleichzeitig Zugang zu drei Broschüren auf Polnisch: Opisanie, Obszerna Continuatia und (Wunderlicher Anfang) / Dziwny Początek – wobei natürlich nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass damals auch noch andere Ausgaben existierten, die inzwischen verloren sind. Es erscheint jedoch als wahrscheinlich, dass es auf Polnisch auch im Jahre 1666 nur diese drei gedruckten Broschüren gegeben hat, da nicht anzunehmen ist, dass der zeitgenössische Autor Galjatovskij nur einen Teil aufgespürt und erwähnt hätte.


In einigen der vorliegenden Broschüren gibt es auch ungewöhnliche Übereinstimmungen orthographischer Art. So figuriert der „König und Messias“ in Beschreibung, Opisanie und in den beiden Versionen von Wunderlicher Anfang in der Form „Sabetha Sebi“[29]. Diese Schreibweise des Namens ist sonst selten; mir ist sie nur noch aus dem illustrierten Flugblatt Afbeelding aus Holland bekannt (s. Anm. 13), das ich für den – direkten oder indirekten – Vorgänger von Beschreibung halte. In anderen zeitgenössischen Berichten findet man z.B. folgende Formen des Namens: Sobeza, Sabeza, Sabatai Sevi, Sabbathai Levi, Sabatay, Sabatha, Sabbetai usw. Die überraschend einheitliche Orthographie des Namens stellt meiner Meinung nach ein weiteres Indiz dafür dar, dass hier der gleiche Drucker am Werk war.



5. Die Illustrationen des Kupferstechers Johan Bensheimer

Alle in Polen erhaltenen Exemplare von Beschreibung, Umbständliche Continuation und Wunderlicher Anfang enthalten jeweils einen Kupferstich auf einem Faltblatt, das ursprünglich nicht in die Broschüren eingebunden war (s. Abb. 2 sowie 13, 14). Heute fehlen diese Kupferstiche in den Amsterdamer Exemplaren sowie in den drei „Sabetha“-Broschüren der British Library[30]. Es ist bekannt, dass Anhänger der sabbatianischen Bewegung in Polen im Jahre 1666 Prozessionen nach katholischer Art durchführten, bei denen Bilder des „Messias“ mitgeführt wurden, denn der Bischof von Przemyśl, Stanisław Sarnicki, schrieb in einem Hirtenbrief vom 22. Juni, der von allen Kanzeln gelesen werden sollte, die Juden scheuten sich in keiner Weise, in öffentlichen Prozessionen gedruckte Pamphlete unters Volk zu bringen, die die (christliche) Religion beleidigten, und auch Bilder von ihren „Einbildungen“ („… scripta nonnulla typis impressa religionem magnopere laedentia, tum et suarum vanitatum imagines per subordinatas forsan personas divulgare minime vereantur“)[31]. Mit den „vanitates“ sind wohl Sabbatai und Nathan gemeint, und es ist natürlich möglich, dass die Bilder aus den „Sabetha“-Broschüren zu diesem Zweck gebraucht wurden.


Alle drei Illustrationen sind von dem recht bedeutenden Kupferstecher Johann Bensheimer / Jan Benßheimer gestochen. Sein Stil ist relativ leicht zu erkennen; außerdem sind die drei Stiche, mehr oder weniger deutlich sichtbar, signiert. Dabei ähneln die Initialen „JB“ auf dem imaginären „Porträt“ von Nathan (als Ligatur, rechts vom Stab; vgl. Abb. 13) sehr der längeren Form der Signatur, wie sie z.B. auf dem von A. Boy gezeichneten Frontispiz des Buches „Joannis Heckeri Mercurius in sole Seu Admonitio … observando“[32] zu sehen ist: „JBenßh.sc“ (=sculpsit). Auf dem „Torturcomics“ – Abb. 2 – sind die Initialen „IB“ auf der Decke des Pferdes zu sehen, das in der Mitte des großen Bildes ganz im Vordergrund steht. Nur mit großer Mühe ist die Ligatur „JB“ dagegen auf dem „Sabetha“-Bild zu entdecken (Abb. 14, unterhalb des linken Schuhs, direkt oberhalb der Buchstaben „ck“ des Wortes „welcken“[33]). Dass alle drei Stiche von dem gleichen Künstler stammen, folgt auch aus der verblüffenden Ähnlichkeit einiger Details. So trägt z.B. Nathan in Abb. 13 und in Abb. 2, Bild 1–3 sowie in den kleinen Bildern zur Linken und zur Rechten des „Königs“ (Abb. 14) jeweils den gleichen Hut.


Ganz unten ist auf jedem der beiden „Porträts“ ein Gedicht abgedruckt. Diese Gedichte sind kritisch gegenüber der sabbatianischen Bewegung, deren Untergang hier vorausgesagt wird. Die antijüdische Tendenz der Gedichte steht nicht ganz in Einklang mit meiner oben formulierten Vermutung, die Bilder von Nathan und Sabbatai könnten bei öffentlichen Prozessionen herumgetragen worden sein. Wenn genau dieselben Gedichte, in deutscher Sprache, jedoch auch auf den Faltblättern standen, die (vermutlich) den polnischen Versionen beigelegt waren (was nicht bekannt ist, da sie in dem jeweils einzigen erhaltenen Exemplar gar nicht vorhanden sind), ist anzunehmen, dass die polnischen Juden sie ohnehin nicht gut verstanden.


Auf den beiden „Porträt“-Stichen ist jeweils unter der Überschrift die Jahreszahl 1666 in Form von Chronogrammen angegeben: über der Sabbatai-Illustration in der Form „eXeaMVs! CaDet BabILon!“ („Lasst uns ausziehen! Babilon wird fallen!“), über der von Nathan „LVCet eXtreMa DIes“ („Der letzte Tag leuchtet, =steht bevor“). In der richtigen Reihenfolge angeordnet, ist die römische Zahl für 1666 MDCLXVI. Diese Zahl enthält alle existierenden römischen Zahlenbuchstaben, und zwar in der „richtigen“ Reihenfolge (d.h. mit fallendem Wert). Aus dieser Tatsache – neben anderen offensichtlichen Zeichen, sowie Krieg, Pest, teuren Zeiten und falschen Propheten – wurde in einem anonymen niederländischen Flugblatt hergeleitet, das Ende der Welt sei nahe: Ein „gewisser Papst“, der die Zahlenbuchstaben eingeführt habe, sei auf Grund einer Eingebung Gottes auf die Schlussfolgerung gekommen, die Welt werde untergehen, wenn alle Zahlenbuchstaben „verbraucht“ seien, also im Jahre 1666, „weil dann keine Zahlenbuchstaben mehr vorhanden sind“[34]. In stark verkürzter und viel weniger drastischer Form hat der Inhalt dieses Flugblatts in Wunder-seltzsame Relationes Eingang gefunden: „Es scheinet ja/ dass der liebe Jüngste Tag nunmehr nicht ferne seyn muß/ weillen fast allenthalben Empörungen/ Kätzereyen/ und falsche Propheten sich herfür thun/ welches ja unter andern auch ein unfehlbares Zeichen des Jüngsten Gerichtes ist. Summa das mit drey 6. bevorstehende 1666ste Jahr/ dörffte ein rechtes Wunder-Jahr seyn: GOtt komme in Gnaden. AMEN.“ (S. [8])[35]. Auf diese Prophezeiung bezieht sich zweifellos das Chronogramm auf dem Nathan-Kupferstich, „Lucet extrema dies“.


Der Kupferstecher J. Bensheimer wirkte ab 1655 in Danzig. Seine Stiche sind außer auf den hier diskutierten Faltblättern auch in vielen wertvollen, in Danzig erschienenen Büchern zu finden[36]. Die Spur nach dem Drucker der „Sabetha“-Broschüren führt uns also in Richtung Danzig.


6. Wer war der Drucker?

Auf der Suche nach dem Drucker habe ich mich von Anfang an hauptsächlich auf zweisprachige Gebiete Polens konzentriert, denn obwohl es z.B. in den Katalogen von deutschen Drucken des Barock in der Herzog August Bibliothek (HAB) zu Wolfenbüttel[37] nicht wenige Titelseiten gibt, die denen der „Sabetha“-Drucke sehr ähnlich sind, erscheint es doch als wenig wahrscheinlich, dass ein Drucker in Wandsbek bei Hamburg oder in Glückstadt, München oder Dresden nicht nur Broschüren auf Polnisch, sondern auch zweisprachige Drucke auf Deutsch und Polnisch hergestellt hätte. Es wäre auch sehr überraschend, wenn solche Drucke zur Übersetzung ins Moskauer Gesandtschaftsamt gelangt wären[38].


Dafür, dass die Broschüren in einer deutschen Druckerei in einem Gebiet mit deutsch-polnischer Zweisprachigkeit hergestellt worden sind, spricht u.a. die Tatsache, dass sie vor allem im nördlichen Teil Polens erhalten geblieben sind. Symptomatisch ist auch, dass der Schweizer Theologe und Orientalist Johann Heinrich Hottinger (1620–1667), der eine bedeutende Sammlung von Sabbatai-Drucken und handgeschriebenem Material zusammengetragen hat[39], anscheinend nicht in den Besitz von irgendeiner dieser acht Broschüren gelangt ist – Zürich ist wohl zu weit von Polen entfernt, geographisch und kulturell.


Unter den firmierten Drucken aus Gebieten, in denen polnisch gesprochen wurde, haben fast nur Drucke aus der Rhete-Offizin – Vater Georg (oder Jürg) Rhete, seine Witwe Anna und sein Sohn David Friedrich[40] – Ähnlichkeit mit den acht Pamphleten, wie vor allem in der British Library und in der Herzog August Bibliothek durchgeführte Vergleiche zeigten. Drucke z.B. aus Königsberg – oder auch aus anderen Danziger Druckereien, etwa der von Philipp Christian Rhete (dem Bruder von David Friedrich, der ungefähr ab 1652 eine eigene Druckerei hatte[41]) – sehen anders aus. Die Arbeitshypothese war also, dass alle acht „Sabetha Sebi“-Drucke in Danzig geduckt worden sind, und zwar in der Druckerei von David Friedrich Rhete. Dazu passt auch die Tatsache, dass die deutschen Texte ausnahmslos so gut wie fehlerfrei gesetzt sind, die polnische Version von Wunderlicher Anfang aber viele, den Text teilweise stark entstellende Satzfehler enthält[42], die – was am meisten verwundert – größtenteils auch in der zweiten Auflage nicht korrigiert worden sind. Es ist sehr deutlich, dass diese Broschüre von einem deutschsprachigen Setzer gesetzt worden ist, der die polnische Sprache nur sehr begrenzt beherrschte. (In den beiden einsprachigen polnischen Broschüren habe ich dagegen nur sehr wenige eindeutige Satzfehler entdeckt[43]. Ich vermute, dass in diesen Fällen entweder polnische Setzer am Werk waren oder dass diese Broschüren im Korrekturgang sehr gewissenhaft korrigiert worden sind.)


David Friedrich Rhete gab um 1666 die Dantziger Ordinari Dienstags / Freytags Zeitung heraus[44], eine Zeitung, von der vor allem im Russischen Staatsarchiv (RGADA) relativ viele Exemplare – und zwar u.a. auch aus den Jahren 1665–1668 – erhalten geblieben sind[45]. Aus dieser Zeitung sind übrigens mehrfach Nachrichten für den Zaren übersetzt worden[46], so dass angenommen werden kann, dass die drei ebenfalls übersetzten Pamphlete zusammen mit gedruckten Rhete-Zeitungen nach Moskau geschickt worden sind. Seit 1665 gab es erstmals eine regelmäßige Postverbindung zwischen Moskau und dem Westen (über Riga)[47]; der Zarenhof konnte jetzt ganz einfach ausländische Zeitungen abonnieren. Andererseits war es für D. F. Rhete als Zeitungsdrucker auch besonders einfach, schon vorher in der Zeitung abgedruckte Nachrichten noch einmal separat herauszugeben[48]; er musste dafür nur die gedruckten Nummern für sich selbst archivieren. Es ist außerdem anzunehmen, dass er in seiner Eigenschaft als Zeitungsdrucker auch andere Zeitungen abonniert hat, darunter auch niederländische, in denen besonders oft Nachrichten über die sabbatianische Bewegung zu lesen waren. Natürlich hatte er auch Zugang zu handschriftlichen Nachrichtenbriefen: Danzig war zu der Zeit eine Nachrichtenzentrale, ein Umschlagplatz vor allem für Nachrichten aus Polen und Russland; von hier aus wurden sie durch die regelmäßigen Beziehungen der Danziger Korrespondenten nach Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Breslau und auch in die Niederlande, die Schweiz und nach Venedig verschickt[49]. Die ständigen Vertreter der Niederlande, Schwedens, Dänemarks und Kurbrandenburgs hatten ihren Sitz in Danzig und unterrichteten von hier aus ihre Regierungen über aktuelle Ereignisse in Polen[50]. Offenbar ließen diese ausländischen Agenten auch Nachrichtendrucke anfertigen, die nicht für den öffentlichen Betrieb bestimmt waren[51]; auch auf diese Art kann Rhete an Informationen gelangt sein, die er in separaten Ausgaben – z.B. in Broschüren – neu auflegen konnte.


7. Vergleich der acht Broschüren mit firmierten oder andersweitig identifizierten Rhete-Drucken

Wenn man die von David Friedrich Rhete verwendeten Drucktypen mit den in anderen Druckereien gebrauchten vergleicht, muss unbedingt berücksichtigt werden, dass insbesondere die Danziger Druckereien alle irgendwie verflochten waren: Sowohl Rhete als auch Reiniger hatten einen Teil der ehemaligen Druckerei Hünefeld-Müller übernommen[52]. Außerdem war im Jahre 1666 auch ein anderer Sohn von Georg und Anna Rhete, Philipp Christian, als selbständiger Drucker tätig[53]; es ist daher nicht auszuschließen, dass auch er Material des Vaters – und des Großvaters! – benutzte. Ähnliche Zierbuchstaben und Eichel-Ornamente sieht man auch in Büchern und Broschüren aus anderen Offizinen; die „ε-Φ-3“-Ornamente habe ich ebenfalls – wenn auch nur ganz selten – bei anderen Druckern entdeckt, insbesondere bei denjenigen, die mit der Rhete-Druckerei verflochten waren, z.B. in der Offizin Reiniger[54]. Bei Rhete sind sie nachzuweisen bis zum Jahre 1691, auf einer Nummer von Freytags Ordinari Post-Zeitungen[55]. (Übrigens macht dieser Druck deutlich, dass sich D. F. Rhete doch irgendwann neue Typen angeschafft hat, denn hier gibt es kaum beschädigte Formen.)

Es ist außerdem bekannt, dass David Friedrich Rhete im Jahre 1653 selbst eine Typengießerei eingerichtet hat[56]. Somit darf auch die Möglichkeit nicht ganz außer Acht gelassen werden, dass Lettern, die von den sonst üblichen polnischen und deutschen abweichen, auch an andere Druckereien verkauft worden sein könnten. Allerdings ist die Typengießerei „nach ein paar Jahren“ wieder eingegangen[57], und ich habe tatsächlich bisher keinerlei Anzeichen für einen Verkauf von Rhete-Typen gesehen. Nicht einmal bei D. F. Rhete selbst ist im Laufe der Jahre eine nennenswerte Erneuerung oder Verbesserung der Drucktypen festzustellen. Im Gegenteil: Buchstaben und Ornamente, die schon 1630 beschädigt waren, sind noch in Drucken aus dem Jahr 1671 zu sehen! Das ist zwar möglicherweise keine individuelle Besonderheit der Familie Rhete; auch andere Drucker benutzten ihre Typen über Jahrzehnte. Dennoch ist dieser Sachverhalt für die Zuordnung der Sabetha-Drucke durchaus bedeutsam.


In diesem Zusammenhang muss unbedingt der Katalog von in der Druckerei vorhandenen Drucktypen erwähnt werden, den Witwe Anna Rhete zusammen mit dem Sohn David Friedrich herausgegeben hat: „Prob und Abdruck/ Derer Schrifften/ So anitzo in Dantzig Ins Seel. Georg Rheten Wittwen Druckerey zu finden“[58] (s. Abb. 15; die Wörter „Derer Schrifften“ sind mit goldenen Buchstaben gedruckt, daher schlechter zu sehen). Es wurde früher angenommen, dass das vermutlich einzige erhalten gebliebene Exemplar dieses Katalogs im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist[59]. Zum Glück hat sich diese Annahme als falsch erwiesen, denn ich habe den Katalog bei mehreren Besuchen in Danzig mit eigenen Augen gesehen und ihn im Jahre 2005 kopieren lassen. Der Katalog beginnt mit einem „Kurtze[n] Bericht an den Günstigen Leser“ auf S. [3], den ich vollständig zitieren will, da das hier Gesagte für die weiteren Erörterungen bedeutsam ist: „DAmit einer hohen Obrigkeit diese Ohrtes/ als sonderbahren Gönnern/ und mächtigen Beförderern der nutzbahren Kunst der Druckerey/ kunt werden möge/ was vor Schrifften in derselben/ welche eines Wohl-edlen und Hoch-weisen Rahts/ und des löblichen Gymnasij Druckerey genennet wird/ zu finden sey/ ist dises Prob-Büchlein der verhandenen Schrifften verfärtiget worden/ in welchem Blad für Blad unterschiedliche andere Schrifften zu sehen/ anders noch/ als etwa einmal vor disem geschehen/ daß einerley Schrifft/ nur durch zwischen eingefügte Spatia verändert/ mit zweyen unterschiedlichen Nahmen ist benennet worden: Wird derowegen in diesem Prob-Büchlein (1) über einer idweden Schrifft ihr eigener Nahme/ so in der Druckerey gebräuchlich ist/ gesetzet; (2) Seynt in idweder Schrifft zwey alphabet, ohne die ligaturen, wie wir sie nennen/ oder doppelte Buchstaben und Distinctiones; unter welchen das erste Versal genennet wird/ und damit ist die erste Zeile des Textes gesetzet worden: das andere heisset man das gemeine alphabet, womit folgendes der Text zu ende läufft. (3) Ist zu wissen/ daß man mit den vier Haupt-Sprachen/ als Ebraisch/ Grichisch/ Lateinisch und Deutsch/ die andern Sprachen fast alle drucken kann/ nur daß bißweilen etliche wenig andere sonderliche Buchstaben dazu vonnöhten seyn/ welche auch in dieser Druckerey zu finden/ ohne Syrisch/ Arabisch/ un[d] Æthiopisch; zu welchen Sprachen absonderliche Schrifften gehören. (4) die jenige Schrifften/ so in margine mit 2. rothen Kreutzen gezeichnet worden/ seynd dieselben/ welche ich seit Anno 53. in dieser Druckerey selber gegossen habe.


Diß wenige dem Günstigen Leser zur Nachricht.

David-Friedrich Rhet.“


Aus dieser Einleitung geht der Zweck der Broschüre sehr deutlich hervor: Sie soll die Vielfalt der in der Rats- und Gymnasialdruckerei vorhandenen Schriften illustrieren. Nebenbei, am Schluss, behauptet D. F. Rhete, dass er mindestens zwei Jahre lang, nämlich 1653–1655, als Schriftengießer tätig gewesen ist. Dabei möchte ich jedoch besonders betonen, dass an keiner Stelle gesagt wird, dass irgendwelche dieser Schriften zum Verkauf angeboten würden! Das auf der Titelseite und im Vorwort verwendete Verb ist „(zu) finden“, niemals „erwerben“ oder „kaufen“. Der Katalog ist offensichtlich als Reklamebroschüre gedacht, die den Leser davon überzeugen soll, dass in der Rhetischen Offizin schöne Bücher in allen Sprachen gedruckt werden können.


Die folgenden 33 Seiten sind jeweils einer der folgenden Schriften gewidmet (zunächst aus der Antiqua-Familie, danach Hebräisch und Griechisch, dann gotische Typen; die Schriften, die D. F. Rhete nach seiner Aussage selbst gegossen hat, kennzeichne ich hier mit einem Sternchen): Grob-Missal, Missal Antiqua, Canon de Garamond*, Roman Antiqua*, Roman Cursiv* (mit dem Kommentar: „NB. Dieser Art Schrifft ist sonst in Preussen nicht zu finden.“), Secunda Antiqua*, Tertia Antiqua (auf der gleichen Seite auch: Tertia Antiqua Polnisch, mit polnischen Sonderzeichen, z.B. „miłośći y źadośći“), Tertia Cursiv, Tertia Cursiv Polnisch, Mittel Antiqua, Mittel Cursiv, Cicero Antiqua*, Cicero Cursiv, Corpus Antiqua, Corpus Cursiv, Mittel Hebraicum, Tertia Græcum, Mittel Græcum, Grob Missal, Grobe Canon, Kleine Canon, Theuerdank, Theuerdanck Polnisch, Secunda Fractur*, Secunda Polnisch*, Parion Schrifft, Tertia Fractur*, Tertia Fractur Polnisch*, Grobe Mittel, Mittel Fractur, Cicero Schwabacher* (mit Cicero Schwabacher Polnisch*), Cicero Fraktur, Corpus Schwabacher* (mit Corpus Polnisch*), Jungfer-Schrifft* (mit Jungfer-Schrifft Polnisch*). Fünf der acht Schriften, mit denen polnische Texte gesetzt werden konnten, hat D. F. Rhete anscheinend selber gegossen.


Der erste Zierbuchstabe besteht manchmal aus einem Holzschnitt (besonders bei den Antiqua-Schriften). Den Abschluss bildet eine Seite mit Noten: „Grobe Figural-Noten; Kleine Figural-Noten“. Jede neue Seite beginnt mit einer Zierleiste, die normalerweise aus verschiedenen Elementen aufgebaut ist,[60] wobei die aus den „Sabetha“-Broschüren bekannten Eichel-Ornamente, das „ε-Φ-3“-Element (vgl. Abb. 16) und andere nicht fehlen. Auf der letzten Seite findet man noch ein Nachwort der Herausgeber (ohne Überschrift): „DIese SChrifften alle seyn in dieser Druckerey zu finden/ wie auch schöne Cathechismus- und Evangelion-Figuren/ 1. in Kupffer gestochen/ 2. in Holtz geschnitten/ 3. in Sand gegossen; Wie auch schöne Leisten in 8tavo nebenst vielen andern Rösichen (sic! – Rös-chen?) und Stöcken/ so gleicher Gestalt/ in obgemeldter Druckerey verhanden. NB. Die Schrifften so unten mit schwartzen * * * gezeichnet stehen, seynd sonst allhie in keiner Druckerey zu finden.”


Mit drei schwarzen Kreuzen (deren Form ich hier nicht korrekt wiedergeben kann) sind die Schriftarten „Hebraicum“ und „Graecum“ (beide Größen) gekennzeichnet. Von den lateinischen Typen gehört nur „Theuerdanck“ dazu (mit einer deutschen und einer polnischen Variante). In den „Sabetha“-Broschüren kommen verständlicherweise weder hebräische noch griechische Buchstaben vor. Dagegen befindet sich auf mehreren der acht Titelseiten eine Zeile (manchmal auch zwei) in der Schrift „Theuerdanck“, und zwar die Zeile „Jüdischen Königs“ in Beschreibung, „des Jüdischen Königes[61]“ in Wunderlicher Anfang, „Türkischen Käyser“ in Idolum Judaicum, die beiden Zeilen „Początek/ Starość/ Osoba/“ und „KROLA tegoź“ in Opisanie sowie die Zeilen „Wunder-seltzsame“ und „Wechem (sic!) eine grosse Menge Volcks“ in Wunder-seltzsame Relationes. Auch im Inneren der Broschüren gibt es manchmal einzelne Zeilen (Überschriften) in dieser Schrift, z.B. zweimal in Umbständliche Continuation.


Die in Abschnitt 4 angeführten besonderen Merkmale der „Sabetha“-Broschüren sind auch aus anderen Drucken zu belegen, die bewiesenermaßen aus der Druckerei von Georg und später David Friedrich Rhete stammen. Hierher gehören natürlich in erster Linie Ausgaben, in deren Impressum der Name des Druckers explizit genannt wird (z.B. Gedichtsammlungen), aber auch periodische Zeitungen, von denen feststeht, dass sie in der Rhete-Offizin gedruckt wurden – sei es, weil der Danziger Rat den Druck genehmigt, oder auch, weil er die Fortsetzung einer periodischen Ausgabe verboten hat[62]. So machte K. H. Kranhold schon im Jahre 1967 auf zwei seiner Meinung nach für Rhete-Drucke signifikante beschädigte E-Zierbuchstaben aufmerksam[63]. Allerdings treten entsprechende E-Lettern mit einer ähnlichen Beschädigung auch in Ausgaben aus anderen Druckereien auf, weshalb sie nicht zu einer eindeutigen Identifizierung führen können. Schon allein die Tatsache, dass aus der Rhetischen Druckerei zwei solcher Formen bekannt sind, zeigt, dass diese Lettern öfter in ähnlicher Weise beschädigt waren. Die eine der von K. H. Kranhold abgebildeten E-Lettern (Abb. 3, S. 52) ist im Londoner Exemplar von Wunderlicher Anfang[64] zu sehen; die andere (Abb. 4, ebd.) ist vermutlich dieselbe (inzwischen jedoch mit einer zusätzlichen Beschädigung) wie in Umbständliche Continuation[65].


Dieselbe Schlussvignette wie in den beiden Auflagen von Wunderlicher Anfang ist ebenfalls in mehreren firmierten Ausgaben von D. F. Rhete zu finden, z.B. in „Leich-Gepräng Des Hoch-Edlen/ Gestrengen und Mannhafften Herrn Peter DE PERCEVAL …“[66] aus dem Jahre 1657, in der im gleichen Jahr gedruckten achtseitigen Broschüre „Papier-Sieglung/ Von sämbtlichen dieser Stadt Ordnungen geschlossen. Männiglich zum Nachricht publiciret 24. Aug. ANNO M. DC. LVII“[67] sowie in dem zweisprachigen hebräisch-deutschen Büchlein von J. Salomon[68], „Die zertheilete Finsterniß/ Oder Wiederlegung des Buches R. Saadjah Gaon“ (1681; S. 108).


Auf der Titelseite von „Papier-Sieglung“ befindet sich außerdem eine lange Schmuckleiste aus „ε-Φ-3“-Ornamenten, vor dem Impressum: „Dantzig/ Gedruckt bey Sel. Georg Rheten Witwe/ Durch David Fridrich Rheten“. Diese Schmuckleiste habe ich auf sehr vielen firmierten Rhete-Drucken gefunden, u.a. auch in Prob und Abdruck sowie in „D. Egidii Strauchs Ab- und An-Zugs Reden/ Von denen Cantzeln In Wittenberg und Dantzig gehalten …“ aus dem Jahre 1671[69] (hier mit den schon angesprochenen abgenutzten Formen).


Die in der Rhete-Zeitung verwendeten Lettern und auch einige kleine Ornamente entsprechen ebenfalls denen in den „Sabetha Sebi“-Broschüren. So sieht man auf vielen Rhete-Zeitungen die sehr charakteristischen Formen der Ziffer 6, wie in der Jahreszahl 1666 auf den Titelseiten von Beschreibung, Umbständliche Continuation und Obszerna Continuatia, z.B. in der Dantziger Ordinari Freytags Zeitung Nr. 8 von 1668[70] und Nr. 20 desselben Jahres[71]. In der Titelzeile der Nummer 1666:46 derselben Zeitung[72] gibt es ganze vier Ziffern dieses Schnittes. Auch auf den Titelseiten von firmierten Büchern aus der Danziger Rhete-Offizin sind diese Ziffern anzutreffen, so z.B. in der Jahreszahl 1661 von „Siebenfältiges SonnenWunder oder Sieben Neben-Sonnen So in diesem 1661. Jahr/ den 20. Feb. St. N. … am Himmel bey uns seynd gesehen worden …“[73]; man findet sie auch auf S. [2] in „Leich-Gepräng …“ (s. Anm. 66). Im Prinzip wurde natürlich diese Drucktype irgendwann kommerziell vertrieben; Vater Georg (oder dessen Vater!) hat sie ja sicher einmal gekauft. Tatsächlich kommt eine Ziffer 6 dieses Schnittes jedoch in Drucken des 17. Jahrhunderts äußerst selten vor: Außer in Ausgaben der Danziger Rhete-Offizin habe ich sie nur noch in denjenigen der Rhetischen Druckerei in Stettin gesehen, so z.B. unten auf der Titelseite von „Bericht aus Pommern/ Welcher gestalt New Schwedisch Volck zu Stetin …“ in der Jahreszahl 1631 („Stettin vom 12. Junij/ Anno 1631“).[74] Ich meine jedoch mit Sicherheit sagen zu können, dass zwei der in den genannten Broschüren verwendeten drei Exemplare der „6“-Drucktypen auf der (firmierten) Titelseite von „COPIÆ, 1. Schreibens Königl. Maytt. zu Schweden/ an Burgermeistere/ Rath/ Schöppen/ und gantze Gemeine der Stadt Dantzig …“[75] (1656) verwendet worden sind! (Dieser Druck enthält übrigens auch die Eichel-Ornamente von Beschreibung, Umbständliche Continuation und Obszerna Continuatia, die auch aus Rhetes Zeitung bekannt sind; vgl. z.B. Dantziger Ordinari Freytags Zeitung 1665:31 und Dienstags-, 1665:49[76].) Wenn wir die drei Ziffern in der Jahreszahl 1666 von Beschreibung und Umbständliche Continuation als a, b, c bezeichnen, so sehen wir in der Jahreszahl 1656 von COPIÆ… die Typen a und c, und zwar in der Reihenfolge c – a.


Man könnte einwenden, dass einige der genannten Übereinstimmungen auf einem Zufall beruhen könnten und nichts beweisen. Deshalb möchte ich noch einige Argumente mit stärkerer Beweiskraft anführen. So finden wir in dem schon mehrfach erwähnten firmierten Rhete-Druck „Leich-Gepräng Des Hoch-Edlen/ Gestrengen und Mannhafften Herrn Peter DE PERCEVAL …“ [1657] ein „P” des von Rhete verwendeten Buchstabenbildes mit einer Beschädigung (im linken s-förmigen Bogen[77]). Es will scheinen, dass genau dieselbe Letter – inzwischen mit einer weiteren Beschädigung in der dünnen senkrechten Linie, ungefähr auf gleicher Höhe wie die erste – auf den Titelseiten von Beschreibung, Umbständliche Continuation und Obszerna Continuatia verwendet worden ist (Abb. 11). Ein P genau dieses Schnittes und Grades ohne jegliche Beschädigung habe ich in keinem einzigen firmierten Rhete-Druck gefunden. Die Vermutung, dass um das Jahr 1666 überhaupt nur eine Letter dieses Grades existierte, liegt deshalb nahe[78].


Selbstverständlich habe ich die „Sabetha“-Drucke auch mit anderen Drucken aus der geographisch relevanten Region verglichen. Während alle Drucktypen und Grade, die in den „Sabetha“-Broschüren verwendet wurden, mit demselben Schriftbild auch in firmierten Rhete-Drucken belegt werden können, hat ein genauer Vergleich der Broschüren mit Arbeiten anderer Drucker, die um 1666 in den relevanten Gebieten tätig waren, gezeigt, dass sie alle einen anderen Typenbestand besaßen und daher nicht als Urheber dieser Broschüren in Frage kommen. So druckte z.B. Philipp Christian Rhete (1652–1668[79], Danzig, Bruder von David Friedrich) auf den mir bekannten Titelseiten nie Zeilen in Schwabacher Schrift; auch vermied er dort nach Möglichkeit beschädigte oder abgenutzte Lettern[80]. Simon Reiniger d. J. (Danzig, 1662–1712) benutzte einen anderen Frakturtyp in der Brotschrift; der Astronom Johann Hevelius (Danzig, 1662–1712) druckte auf Lateinisch mit aus den Niederlanden importierten Antiqua-Typen[81]; Pascha Mense (Königsberg / Królewiec, heute Kaliningrad; 1642–1676) verwendete eine anders geschnittene Schwabacher Schrift; die Druckerei Johan Reusner / Reußner (Königsberg, 1639–1666[82]) benutzte einen anderen Frakturschnitt als Brotschrift und ganz andere Zierbuchstaben; Achatius (Achatz) Corell / Achacy Korel (Elbing / Elbląg, 1646–1659, danach Erben bis 1669) verwendete einen anderen Frakturschnitt als Brotschrift und andere Zierbuchstaben. Auch alle eingesehenen Drucke von z.B. Michael Karnall (Thorn / Toruń, 1643–1666[83]), Heinrich Schultz (Braunsberg / Braniewo, 1663–1680), Georg Baumann d. J. (Breslau / Wrocław, 1618–1650, Erben bis ca. 1730) und Johann Seiffert (Oels / Oleśnica, 1641–1669) basieren auf anderen Typen. Von allen Druckern, die theoretisch für die hier diskutierte Serie des Jahres 1666 in Frage kommen könnten, lassen sich die vielen verschiedenen Typen und Größen sowie auch das gesamte Repertoire an Ornamenten ausschließlich in der Offizin von D. F. Rhete nachweisen. Dieser Drucker war auf den vorhandenen Typenvorrat offenbar ausgesprochen stolz, was aus dem oben zitierten Vorwort zu dem Typenkatalog Prob und Abdruck … sehr deutlich hervorgeht. Anscheinend hatte er das Bestreben, seinen Reichtum an verschiedenen Drucktypen auf jeder einzelnen Titelseite zu demonstrieren. Dass er dabei außerdem für sehr viele Schriftarten auch die (größtenteils von ihm selbst gegossenen) polnischen Spezialbuchstaben besaß, was bei Druckern deutscher Herkunft sehr ungewöhnlich war, lässt ihn als den einzigen möglichen Urheber der hier untersuchten Drucke erscheinen.[84]


9. Relative Chronologie der acht Broschüren und ihre Bedeutung für die Offizin

In welcher Reihenfolge wurden nun die hier vorgestellten Broschüren bei D. F. Rhete gedruckt? Das Erscheinungsjahr, 1666, ist auf allen Titelseiten explizit angegeben; eine genauere Datierung der Drucke erscheint aber als möglich.


Nach dem Inhalt der Broschüren zu urteilen beginnt die Serie mit Idolum Judaicum – einem Pamphlet, das größtenteils auf der nach meiner Datierung im Jahre 1665 in Holland gedruckten „Aktualisierung“ eines Pamphlets von 1646 aufbaut (vgl. Anm. 16). Die aktuelle Information über Sabbatai Zwi beschränkt sich hier auf ein Minimum; sein Name wird noch nicht genannt.


Wunder-seltzsame Relationes dürfte die zweite Ausgabe der Serie sein. In dieser Broschüre sind vier Nachrichtenbriefe abgedruckt, die zwischen Anfang August und Ende November 1665 datiert sind. In der niederländischen und norddeutschen Presse können diese Nachrichten (aus Nordafrika, Jerusalem und Italien) frühestens gegen Ende des Jahres 1665 erschienen sein; für den Nachdruck in Danzig würde ich das Frühjahr 1666 ansetzen, etwa Februar – März. Hier werden schon einige aktuelle Tatsachen erwähnt (neben vielen Legenden), z.B. der Name des Propheten Nathan. Auch der Name des „Messias“ ist hier schon angegeben, allerdings noch nicht in der Form "Sabetha Sebi", die für die kurze Zeit später gedruckten Broschüren charakteristisch ist, sondern als „R Sobetha“ bzw. nur „Sobetha“. (Im letzten der vier Briefe wird gesagt, „Sobetha“ sei 15 Jahre alt; in Wirklichkeit war Sabbatai Zwi damals schon fast 40. Nathan war dagegen tatsächlich sehr jung, wenn auch nicht so jung; hier liegt offenbar eine Verwechslung vor.)


In Umbständliche Continuation – meiner Meinung nach Nummer 3 der Serie – ist zunächst von einem „Rabbi Sabathai Levi“ die Rede (S. A3). Interessanterweise ist dieser Fehler in der polnischen Version, Obszerna Continuatia, behoben: Hier heißt der König „Sabathai Sebi“ – ein Hinweis darauf, dass die polnische Version nach der deutschen entstanden ist. Das Alter des „Messias“ ist nun korrekt angegeben: ungefähr 40 (ebd.)[85]. In der Broschüre wird ein am 10. März in Amsterdam angekommenes Schreiben erwähnt, weshalb ich annehme, dass sie im April gedruckt wurde.


Erst in Beschreibung (sowie Opisanie) hat der Name des „Königs“ die endgültige Form angenommen, Sabetha Sebi. Umbständliche Continuation und Beschreibung wurden offenbar sehr schnell hintereinander gedruckt, wegen der offenbaren Satzidentität der Zeile „Gedruckt im 1666 sten Jahre.“ in den beiden Broschüren. Die Annahme, dass Beschreibung ebenfalls im April 1666 gedruckt worden ist, passt zu der Tatsache, dass diese Broschüre in Moskau zusammen mit Zeitungen übersetzt wurde, die vermutlich Ende April gedruckt worden sind (vgl. Anm. 27). Schließlich wurde Wunderlicher Anfang, das Ende der Serie, wohl im Sommer 1666 gedruckt, als die Nachricht von der Festnahme Sabbatais nach Europa gelangt war.


Bemerkenswert ist sicherlich, dass innerhalb eines halben Jahres in einer einzigen Danziger Druckerei so viele Pamphlete über den jüdischen „Messias“ gedruckt worden sind. Natürlich haben auch andere Drucker Pamphlete über Sabbatai Zwi herausgegeben, aber kaum in dieser Menge. Gab es in Danzig einen besonders guten Markt? An welche Zielgruppe wendeten sich die Pamphlete? Da es den Juden zu der Zeit nicht erlaubt war, sich permanent in Danzig niederzulassen[86], kann Rhete nicht in erster Linie an jüdische Abnehmer gedacht haben; außerdem sind die Broschüren – insbesondere die letzte, Wunderlicher Anfang – ja auch keineswegs „judenfreundlich“. Eher kann man vermuten, dass der Antisemitismus unter den Danziger Lutheranern, Katholiken und Calvinisten[87] ähnlich verbreitet war wie im Kernland des Königreichs Polen und dass Rhete vor allem an antisemitische Christen als potentielle Käufer gedacht hat[88]. Das schließt natürlich nicht aus, dass einzelne Exemplare doch von jüdischen Händlern erworben wurden, und sicher wurden ja auch nicht alle Exemplare innerhalb der Stadt verkauft.


Der polnische König Jan Kasimir erließ am 5. Mai 1666 ein Dekret, dem zufolge alle Broschüren, Flugblätter und Bilder über den jüdischen „Messias“ Fälschungen seien und vernichtet werden sollten[89]. Es ist anzunehmen, dass der König unter anderem einige der kurze Zeit vorher in Danzig produzierten Drucke zu Gesicht bekommen hatte. Da die polnischen Juden selbst keine Pamphlete über Sabbatai Zwi anfertigten, können nur entweder importierte oder durch Christen in Polen (einschließlich Danzig) herausgegebene Drucke gemeint sein.


David Friedrich Rhete machte mit seinen Sabbatai-Drucken jedenfalls allem Anschein nach ein gutes Geschäft, denn offenbar war es kein Problem, sowohl deutsche als auch polnische Broschüren über den jüdischen „Messias“ abzusetzen. Für besonders bezeichnend in diesem Zusammenhang halte ich die Tatsache, dass mindestens eines der Pamphlete sogar zweimal verlegt worden ist. Die künstlerisch wertvollen Kupferstiche von Johan Bensheimer mögen dabei eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben.


10. Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurde dargelegt, dass die hier behandelten acht anonymen Drucke über den jüdischen „Messias Sabetha Sebi“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einem bestimmten Drucker – D. F. Rhete in Danzig – zugeschrieben werden können. Jedes der angeführten Argumente ist, isoliert betrachtet, lediglich ein mehr oder weniger starkes Indiz und noch kein Beweis. Die Kombination aller genannten Indizien dürfte jedoch einem Beweis gleichkommen. Der im Jahre 1655 herausgegebene und lang verschollen geglaubte Typenkatalog der Firma Rhete, Prob und Abdruck …, spielte für die Zuordnung eine wichtige Rolle. Nicht nur die acht hier besprochenen Drucke, sondern auch viele weitere anonyme Ausgaben können auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchung der Offizin Rhete zugeordnet werden.


Gar nicht beleuchtet habe ich in dieser Arbeit den Ursprung der Legende über die angebliche Tortur und Hinrichtung von Sabbatai Zwi und deren Verbreitung in zeitgenössischen Drucken. Dieser Frage werde ich in einer separaten Arbeit nachgehen[90].


* Dieser Artikel ist dem Gedenken an Wouter Pilger, dem Koautor mehrerer meiner gedruckten Arbeiten, gewidmet. Eigentlich hatten wir die Absicht, auch diese Darstellung gemeinsam zu schreiben, aber Wouter Pilger ist leider verstorben, bevor die Idee verwirklicht werden konnte.


[1] Jetteke van Wijk: The Rise and Fall of Shabbatai Zevi as Reflected in Contemporary Press Reports. In: Studia Rosenthaliana 33:1, 1999, S. 7–27.

[2] Gershom Scholem: Sabbatai Şevi. The Mystical Messiah 1626–1676. Princeton 1973 (Bollingen Series. XCIII). Vgl. auch John Freely: The Lost Messiah. In Search of Sabbatai Sevi. London – New York 2001.

[3] Scholem (s. Anm. 2). Ich zähle seinen unter der Nummer 87 angegebenen niederländischen Druck Idolum Judaicum nicht mit, da hier auf der Titelseite fälschlicherweise das Jahr 1666 angegeben ist (anstatt der richtigen Jahreszahl 1646; s. ausführlicher Anm. 16).

[4] http://www.vd17.de.

[5] Ioanikij Galjatovskijs antijüdisches Werk „Mesia pravdivyi Isus Christos Syn Božii …“ (Der wahre Messias Jesus Christus, Sohn Gottes…) erschien in Kiev, zuerst 1669 in ukrainischer, danach 1672 in polnischer Sprache. Die von mir benutzten Exemplare gehören dem Russischen Staatsarchiv für alte Akten (RGADA) und haben dort die Signaturen SPK 70, SPK 1043–1044 (ukrainisch) bzw. BMST-in 2700–2703 (polnisch). Antijüdische Literatur hat im ostslavischen Schrifttum eine lange Tradition, durch das ganze Mittelalter hindurch; vgl. hierzu Alexander Pereswetoff-Morath, A Grin without a Cat. 1. Adversus Judaeos texts in the literature of medieval Russia (988–1504). Lund 2002 (Lund Slavonic Monographs. 4).

[6] So z.B. Daniel C. Waugh: News of the False Messiah. Reports on Shabbetai Zevi in Ukraine and Muscovy. In: Jewish Social Studies XLI:3–4, 1979, S. 301–322 (hier S. 304).

[7] Hanna Świderska: Three Polish pamphlets on Pseudo-Messiah Sabbatai Sevi. In: The British Library Journal 15:1, 1989, S. 212–216. Die Titelseiten aller drei Broschüren sind auf S. 214 f. abgebildet.

[8] Format: 4º. Kollation: A4. . Sign.: C.190.aaa.27(4).

[9] Die Signaturen sind Pol. 7.II.3632/up (UB Thorn); Gc 3764 8º (Danzig). Das Faltblatt fehlt auch im Danziger Exemplar in der „richtigen“ Broschüre; es ist dagegen hinter der Broschüre Idolum Judaicum (s. unten) eingeklebt. Ein weiteres – nicht ganz so gut erhaltenes – Exemplar wird in der Graphischen Sammlung unter der Signatur Inw. 3388 aufbewahrt.

[10] Judaika polskie z XVI–XVIII wieku. Materiały do bibliografii. Część I: Druki w językach nie-żydowskich. Kraków 1995. S. 104, Nr. 824 (Studia Polono-Judaica. Series Bibliographica 4/1). Ein Fundort – UB Thorn – war zwar angegeben, aber die Mitarbeiter der Bibliothek hatten dennoch große Mühe, den Druck zu finden, da die angegebene Signatur offenbar entweder veraltet oder falsch war.

[11] S.l. 4º. Kollation A4. Heutiger Fundplatz des einzigen bekannten Exemplars: BL, Sign.: C.190.aaa.27(2). (Die im Titel erwähnte Illustration – „prawdziwy contrafect“ – fehlt in dieser Broschüre wie auch in der folgenden.)

[12] S.l. 4º. Kollation A4. Sign.: C.190.aaa.27(3).

[13] S.l. 4º. A4 B2 + 1 Faltblatt. Fundorte: UB Thorn, Pol. 7,II.3631; Danzig, BG PAN, Gc 3763 8º. UB Amsterdam (ohne Faltblatt), Bibliotheca Rosenthaliana, Br. Ros. 4º, 3–6(1). (Erstaunlicherweise waren selbst die deutschen Broschüren, von denen ja je ein Exemplar in Amsterdam aufbewahrt wird, G. Scholem noch nicht bekannt; in seiner Bibliographie werden sie nicht genannt.) – Beschreibung ist vermutlich auf der Grundlage von „Afbeelding, van den gewaenden, nieuwen Joodschen Koning SABETHA SEBI, Met zijn byhebbende Profeet, opgestaen in den jare 1665, etc.“ entstanden (s.l., s.a.). Illustriertes Flugblatt. Fundorte z.B. UB Amsterdam, Ros. Ebl. B-23; UB Leiden, Thyspf 7937 (vgl. Petit 3516). G. Bei G. Scholem (s. Anm. 2) findet man eine Abbildung (Abb. V).

[14] S.l. 4º. A4 B2 + 1 Faltblatt. Signatur in BG PAN Danzig: Gc 3763 8º adl. 1; in UB Thorn: Pol. 7.II.3633/up; in UB Amsterdam (ohne Faltblatt): Br. Ros. 4º, 3–6(2).

[15] S.l. 4º. A4. Sign.: Gc 3765 8º. Einen identischen Druck besitzt die UB Greifswald, 520/Fm 57 adn. 25 (nach dem digitalen Katalog; der Druck selbst trägt in dem Band die Nummer 27; s. Abb. 7).

[16] S.l. 4º. A4. Sign.: Gc 3763 8º adl. 2. (Das Exemplar von Idolum Judaicum, das im Katalog der SBB-PK unter der Signatur 4º De 3370 aufgeführt ist, gehört zu den Kriegsverlusten.) – G. Scholem (s. Anm. 2) erwähnt unter der Nummer 87 eine niederländische Broschüre mit dem Titel „Idolum Judaicum. Ofte den Ioodschen Messias, zijnde een Beschrijvinge …“, 16 S., Amsterdam 1666. Die Jahresangabe 1666 ist falsch; richtig ist 1646, wie auf dem Exemplar der UB Leiden (Thyspf. 4947) korrekt angegeben; vgl. auch den Pamphletenkatalog Van der Wulp, Nr. 2811. Es gibt jedoch tatsächlich auch eine Ausgabe, auf der die Jahreszahl 1666 vermerkt ist; Exemplare dieser Ausgabe besitzt die KGL. B Den Haag (Pflt.5385a) und die UB Amsterdam (UvA, Ros. 19 G 5); vgl. auch Van der Wulp, Nr. 5500. Eines dieser Exemplare mit der falschen Jahreszahl – das Amsterdamer, nehme ich an – hat anscheinend G. Scholem gesehen. Die Broschüre des Jahres 1646 handelt natürlich nicht von Sabbatai Zwi und Nathan von Gaza (der letztere war damals noch ein sehr kleines Kind), sondern von einem anderen Propheten, der nicht namentlich genannt wird. Sie ist nur auf Grund des Druckfehlers in Scholems Bibliographie aufgenommen worden. Dagegen gibt es in der UB Leiden (Thyspf. 7537) wirklich eine Broschüre mit diesem Titel auf Niederländisch, die von der Bewegung Sabbatai Zwis handelt: „IDOLUM JUDAICUM, Ofte den Joodtschen MESSIAS, Zijnde een Beschryvinge van sijne toekomste, leven, staet en regeeringe. Heel vermakelijck om te lezen voor alle Liefhebbers. DOOR I.D.C. [Vignette] Na de Copye van CONSTANTINOPOLEN.” S.a. [1665?] 12º. A12 (bei Scholem nicht erwähnt). Im Text gibt es einige Übereinstimmungen mit der gleichnamigen Broschüre aus dem Jahre 1646. Anscheinend hat ein erfahrener Drucker im Jahre 1665 (dem von mir angenommenen Druckjahr), als eine umfassende Leserschaft auf Nachrichten über die messianische Bewegung erpicht war, sich daran erinnert, eine fast 20 Jahre alte Broschüre mit einem interessanten Titel gesehen (oder gar gedruckt??) zu haben. Er übernahm den Haupttitel wörtlich und besserte die „zeitlosen“ Weisheiten der alten Broschüre auf mit aktuellen Nachrichten, die inzwischen in der Presse zu lesen waren. So wird jetzt z.B. der Name des Propheten, Nathan, erwähnt. Diese Broschüre stimmt ziemlich wörtlich mit „unserer“ deutschen Broschüre Idolum Judaicum überein. Ich nehme an, die deutsche ist eine Übersetzung aus dem Niederländischen und etwas später gedruckt, vermutlich im Januar oder Februar 1666. – Abbildungen der Titelseiten der beiden niederländischen Broschüren findet man in I. Maier: Seventeenth-century Dutch pamphlets translated for Tsar Alexis. In: Omslag. Bulletin van de Universiteitsbibliotheek Leiden en het Scaliger Instituut. 2005:02, S. 8.

[17] Vgl. z.B. Maria Pelczarowa: Z dziejów oficyn drukarskich w Gdańsku (w. XVI—XVIII). In: Rocznik Gdański, XIV, 1955, S. 144–165.

[18] E-Mail vom 24. Januar 2002.

[19] Bei gleicher Breite der Buchstaben ist Fraktur höher als Schwabacher; derselbe Text braucht daher in Schwabacher weniger Platz als in Fraktur.

[20] Auf der Titelseite der Ausgabe, die in Thorn und in Danzig erhalten geblieben ist (hier nicht abgebildet), sind es stattdessen die beiden „Rauten“ in der Mitte der Zierleiste.

[21] Zur Satzidentität vgl. vor allem Martin Boghardt: Analytische Druckforschung. Ein methodischer Beitrag zu Buchkunde und Textkritik. Hamburg 1977. – Zur Feststellung von satzidentischen Elementen konnte ich keine technischen Hilfsmittel benutzen, da die Originalbroschüren in fünf verschiedenen Bibliotheken untergebracht sind. In den wichtigsten Bibliotheken, in Danzig (fünf der Drucke) und Thorn (drei), gibt es keine Kollationsgeräte. Meine Einschätzung von Satzidentität oder Satzdifferenz beruht also ausschließlich auf mit bloßem Auge erkennbaren Übereinstimmungen bzw. Unterschieden.

[22] Mündliche Information von Prof. emer. Chimen Abramsky, University College London, der den Ankauf vermittelt hat. Die letzte private Besitzerin vor dem Erwerb der Ausgaben durch die BL war die Witwe des polnisch-jüdischen Journalisten Reuben Ainsztain. Die drei Pamphlete sind zusammen mit einem Buch (Sebastian Miczynski: Zwierciadlo korony polskiej. S.a. [1618]) und einer Handschrift (in polnischer Sprache) in Leder eingebunden. Das Erwerbsdatum ist im Band mit Bleistift vermerkt: November 1988. (Prof. Abramsky hat mir freundlicherweise erlaubt, seine im Herbst 1988 – bevor die Drucke von der BL gekauft wurden – angefertigten Kopien der „Londoner“ Broschüren zu Illustrationszwecken zu verwenden, wofür ich ihm an dieser Stelle herzlich danken will.)

[23] Man kann auch noch sehen, dass vier der fünf Danziger Broschüren (alle außer Wunder-seltzsame Relationes) nach einer früheren Katalogisierung zusammengehörten: Beschreibung trägt die handschriftliche Nummer 13, Wunderlicher Anfang 14, Umbständliche Continuation 15 und Idolum Judaicum 16.

[24] Die Übersetzung befindet sich im Russischen Staatsarchiv für alte Akten (RGADA, Moskau), Fond 155, Reg. 1, 1665–1666, Nr. 11, fol. 188–192. Eine linguistisch genaue Transkription findet man in Ingrid Maier & Wouter Pilger: Polnische Fabelzeitung über Sabbatai Zwi übersetzt für den russischen Zaren (1666). In: Zeitschrift für slavische Philologie 62:1, 2003, S. 1–39. Die russische Übersetzung wurde zum ersten Mal im Druck vorgestellt von Daniel C. Waugh (wie Anm. 6) S. 316–317.

[25] Der zitierte russische Passus ist nicht die Übersetzung des Titels, sondern des ersten Satzes der Broschüre.

[26] In Maier & Pilger (Anm. 24) werden alle Abweichungen der beiden Drucke genannt. Auf S. 32 äußern wir die vorsichtige Vermutung, dass die russische Übersetzung nach dem Druck gemacht worden ist, der in London aufbewahrt wird. Einen eindeutigen Beweis gibt es aber nicht.

[27] Die Übersetzung von Beschreibung befindet sich auf fol. 131–136 (RGADA, Fond 155, Reg. 1, 1665–1666, Nr. 11); auf dem gleichen Blatt, 136, beginnt die Übersetzung von Idolum Judaicum, bis einschließlich fol. 141. Auf diesem Blatt geht es dann weiter (in derselben Handschrift) mit Übersetzungen periodischer Zeitungen; die direkt darauf folgenden Nachrichten (fol. 141–143) sind aus Danzig vom 4. April, Warschau 11. April, Warschau 16. April und Wien 13. April, d.h. die (bisher nicht aufgefundene) als Vorlage benutzte deutsche Zeitung dürfte Ende April 1666 gedruckt worden sein. Es ist deshalb anzunehmen, dass Idolum Judaicum und Beschreibung ebenfalls spätestens im April 1666 gedruckt worden sind.

[28] Vgl. S. A. Belokurov: O biblioteke moskovskich gosudarej v XVI stoletii. Moskva 1898; Daniel C. Waugh: The Library of Aleksei Mikhailovich. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte. Band 38, 1986, S. 299–324.

[29] Diejenigen Broschüren, in denen der Name des Messias noch gar nicht bzw. in einer ganz anderen Form genannt wird, sind meiner Meinung nach die ersten der Serie, die gedruckt wurden, bevor die genaue Form des Namens bekannt war (s. ausführlicher in Abschnitt 9).

[30] Es ist anzunehmen, dass die einsprachigen polnischen Broschüren ursprünglich die gleichen Kupferstiche enthielten wie die deutschen, eventuell mit polnischem Text versehen. Darüber kann man leider nur spekulieren, da sie in dem jeweils einzigen erhalten gebliebenen Exemplar (in London) fehlen. (Ich habe der BL Fotokopien der Illustrationen aus Danzig überreicht; möglicherweise liegen diese Kopien inzwischen bei den Originalbroschüren.)

[31] Der Hirtenbrief wird in lateinischer Sprache zitiert von M. Bałaban: Sabataizm w Polsce (Ustęp z „Dziejów mistyki żydowskiej w Polsce“). In: Księga jubileuszowa ku czci prof. dr. M. Schorra. Warszawa 1935, S. 47–90, hier S. 89 (Pisma Instytutu nauk judaistycznych w Warszawie. VI, 3). Vgl. auch Scholem (Anm. 2), S. 597 f., der sich jedoch ebenfalls auf Bałaban beruft.

[32] Danzig 1672, gedruckt bei Simon Reiniger d. J. Das von mir benutzte Exemplar gehört der British Library (im Weiteren BL) und hat die Signatur 531.k.39. In VD17 ist dieses Buch unter der Nr. 39:126949L aufgeführt; zwei Exemplare sind erfasst, in Dresden und in Gotha. Die relevante Titelseite befindet sich unter den digitalen Schlüsselseiten aus dem Exemplar der FB Gotha (Math 4_o 149/1 (3)).

[33] Ich bin Ad Stijnman, Oudewater, der mich auf das Vorhandensein der Initialen auch auf diesem Bild aufmerksam gemacht hat, zu großem Dank verpflichtet. Ohne seine fachmännische Hilfe hätte ich sie schwerlich entdeckt.

[34] „Brief van een Paep uyt ROOMEN, Aengaende des WEERELTS ONDERGANGH, en der Joden MESSIAS en KONINGH“ (Thyspf 8112; vgl. Petit Nr. 3599; s. auch Anm. 48). Der entsprechende Abschnitt lautet im Original folgendermaßen: „Het eynde der Weerelt moet, nae’t segghen van veelen, nu nae by zijn, alsoo se segghen dat seeckere Paus die dese Cijfer-letters (M DC LXVI) ingheset heeft, geseyt soude hebben, door een ingevinge Godts, dat, als dat selve getal van jaren ’t gene die Letters uytbrengt, vervult soude zijn, de Weerelt dan soude vergaen, om dat ’er dan geen meer Cijfer-letters wesen soude“. (Das undatierte Flugblatt wurde sicher im Jahre 1665 gedruckt; vgl. auch Anm. 16.)

[35] Das Schreiben „aus Rom von einem Geistlichen an seinen Freund“ – das letzte der in Wunder-seltzsame Relationes abgedruckten Schreiben – trägt das Datum 26. November 1665.

[36] Vgl. Allgemeines Künstler-Lexikon. Band 9, Benecke - Berrettini. München - Leipzig 1994. Abbildungen von Bensheimers Stichen findet man u.a. in: Orzeł i trzy korony. Sąsiedztwo polsko-szwedzkie nad Bałtykiem w epoce nowożytnej (XVI – XVIII w.). Wystawa 8 kwietnia – 7 lipca. Warszawa 2002. S. 177, 249.

[37] Deutsche Drucke des Barock 1600–1720 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Begründet von Martin Bircher. Band 1–46, München etc. 1977–1996; Polnische Drucke und Polonica 1501–1700. Katalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel = Druki polskie i polonica 1501–1700. Katalog zbiorów Herzog August Bibliothek. Band 1–2, München 1992–1994 (Kurztitel: Polonica-Katalog).

[38] In den Jahren 1660–1670 kamen nach Moskau regelmäßig Zeitungen aus den Niederlanden (in erster Linie aus Amsterdam und Haarlem) und deutsche Zeitungen, vor allem aus Königsberg und Berlin, in geringerem Ausmaß aus Stettin, Leipzig, Danzig und Hamburg. Über die in Moskau erhaltenen Zeitungen in deutscher Sprache vgl. V. I. Simonov: Deutsche Zeitungen des 17. Jahrhunderts im Zentralen Staatsarchiv für alte Akten (CGADA), Moskau. In: GJ 1979, S. 210–220; zu den niederländischen vgl. Ingrid Maier: Niederländische Zeitungen (’Couranten’) des 17. Jahrhunderts im Russischen Staatsarchiv für alte Akten (RGADA), Moskau. In: GJ 2004, S. 191–218.

[39] Hottingers handschriftlicher Nachlaß befindet sich in Zürich (ZB): Thesaurus Hottingerianus. (Die HAB besitzt Kopien auf Mikrofiche.) Die Sabbatai-Drucke befinden sich in Band 30. Vgl. auch Ludwig Geiger: Deutsche Schriften über Sabbatai Zwi. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. Band V, 1892, S. 100–105. (Geiger unterschätzt meiner Meinung nach die Bedeutung von Hottingers Sammlung für die Forschung über Sabbatai Zwi.)

[40] Allgemein zur Druckerfamilie Rhete vgl. Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 1982², S. 79; Drukarze dawnej Polski od XV do XVIII wieku. Tom 4: Pomorze, Wrocław – Warszawa – Kraków 1962, S. 354–366 (Książka w dawnej kulturze polskiej. X); Karl Heinz Kranhold: Frühgeschichte der Danziger Presse. Münster 1967, S. 52–82; 109–120 und passim (Studien zur Publizistik. Bremer Reihe. 9).

[41] Nach Benzing (Anm. 40), S. 79 war Philipp Christian Rhete von 1652 bis zu seinem Tod 1668 als selbständiger Drucker tätig; nach Drukarze (s. Anm. 40), S. 354: 1654 (?) – 1668.

[42] Ausführlicher hierüber vgl. Maier & Pilger (s. Anm. 24).

[43] Für eine unglückliche Ausnahme halte ich den Druckfehler auf der Titelseite von Opisanie, „W Rouku 1666. drukowano“ (anstatt „W Roku …“). In polnischen Wörterbüchern ist eine etwaige dialektale Form rouk für rok (=Jahr) nicht nachzuweisen. Druckfehler auf Titelseiten sind aber auch sonst nicht so selten. Es wäre denkbar, dass hier ein Satzfehler (z.B. Ruku) im Korrekturgang falsch korrigiert worden ist.

[44] Vgl. Else Bogel & Elger Blühm, Die deutschen Zeitungen des 17. Jahrhunderts. Ein Bestandsverzeichnis mit historischen und bibliographischen Angaben. Band I–III. Bremen 1971 (I–II), München etc. 1985 (III); hier Band III, S. 103 (Studien zur Publizistik. Bremer Reihe. 17).

[45] Aus diesen Jahren gibt es in Moskau fünf Dienstags- und 14 Freitagsnummern; vgl. Simonov (s. Anm. 38), S. 213; Bogel & Blühm, Band III (s. Anm. 44), S. 102–104. (Kopien, sowohl auf Mikrofilm als auch auf Papier, befinden sich in der „Deutschen Presseforschung“ in Bremen; Signatur: Z 68.) – Die Moskauer Nummern sind in Deutschland erst seit Simonovs Artikel im GJ 1979 (Anm. 38) bekannt und sind infolgedessen im Standardwerk zur frühen Danziger Presse von Kranhold (s. Anm. 40, Tabelle 13 im Anhang) noch nicht vermerkt.

[46] Vgl. Ingrid Maier (in Vorbereitung; voraussichtliches Erscheinungsjahr 2008): Vesti-Kuranty (1660–1670). Čast’ 2. Inostrannye istočniki k russkim perevodam. Moskva.

[47] Das Standardwerk über die Errichtung der ersten russischen Post ist I. P. Kozlovskij: Pervye počty i pervye počtmejstery v Moskovskom gosudarstve. Tom 1–2. Varšava 1913.

[48] So besteht z.B. Wunder-seltzsame Relationes fast ausschließlich aus Artikeln, deren Inhalt mir schon aus verschiedenen deutschen und niederländischen Zeitungen bekannt war. Der erste Brief, „Extract. Eines Schreibens auß Sabea in Barbaria, vom 5. Augusti Anno 1665 …“, war vorher als Einblattdruck auf Niederländisch erschienen: „Translaet uyt een Brief van Sale in Barbaryen, In Dato den 6 Augusti 1665“ (UB Amsterdam, Ros. Ebl. B-129. Der Druck ist abgebildet in Studia Rosenthaliana, Band 29 (1995), S. 93, bibl. Angaben S. 99). Derselbe Brief ist auf Deutsch z.B. in der Kopenhagener Europæische Wochentliche Zeitung 1665:98 (KGL. B Kopenhagen; Kopie in der DP, Z 7) sowie in der Königsb. Sontags PostZeitung 1665:103 abgedruckt (RGADA, F. 155, Reg. 1, 1665, Fol. 38v). Was den vierten Brief betrifft, „Extract Eines Schreibens aus Rom von einem Geistlichen an seinen Freund … Vom 26. Novemb. Anno 1665“, so gibt es nach J. van Wijk (s. Anm. 1, S. 18) in Haegsche Post-Tydingen vom 14. Juli 1665 unter dem Titel „Brief van een Paep uyt Romen, aen-gaende des Werelts Ondergangh, en der Joden MESSIAS of KONINGH“ eine Nachricht, auf der offenbar der letzte in Wunder-seltzsame Relationes abgedruckte Artikel „EXTRACT Eines Schreibens aus Rom von einem Geistlichen … Vom 26. Novemb. Anno 1665“ aufbaut. Die niederländische Originalzeitung aus Den Haag, die anscheinend in Gent aufbewahrt wird, war mir nicht zugänglich; genau denselben „Papstbrief“, mit einigen orthographischen Abweichungen, habe ich jedoch auch auf einem selbständigen niederländischen Flugblatt gefunden (UB Leiden, Thyspf 8112; vgl. auch Anm. 34 mit einem längeren Zitat). In Wunder-seltzsame Relationes ist der Brief in veränderter Form abgedruckt, stark gekürzt; dabei wurde das Datum „aktualisiert“, denn in den beiden mir bekannten niederländischen Versionen war er ohne ein Versanddatum erschienen. – Was Rhete-Zeitungen aus dem Jahre 1666 betrifft, so ist leider in der ganzen Welt nur eine einzige Nummer erhalten geblieben (und zwar im Moskauer RGADA): Nr. 46 (Freitag), mit Nachrichten vom Oktober 1666; vgl Bogel & Blühm (Anm. 44), Band III, S. 103; Simonov (Anm. 38), S. 213. Es gibt daher keine Möglichkeit, zu vergleichen, ob der Inhalt der vorliegenden Broschüren vorher schon in Rhetes Zeitungen Eingang gefunden hatte.

[49] Vgl. Kranhold (s. Anm. 40), S. 223.

[50] Ebd., S. 224.

[51] Ebd., S. 189.

[52] In einer Klage (1657) brachte Witwe Anna Rhete dem Rat von Danzig in Erinnerung, „... dass wir der Müller Druckerey durch einen richtigen und gültigen Kauff ... an uns gebracht ...“ (Kranhold, wie Anm. 40, S. 72); vgl. auch Drukarze (s. Anm. 40), S. 324: „Reiniger ... przejął od Müllerów dawną oficynę Hünefeldowską“ (’Reiniger … erwarb von den Müllers die ehemalige Hünefeld-Offizin’).

[53] Vgl. Anm. 41.

[54] Vgl. z.B. „Glückwünschungs-Ode ... Michael Korybuti...“, gedruckt bei Simon Reiniger d. Ä. 1659; „Der Musen unverhoffter Trost … Aegidio Strauch…”, gedruckt bei Simon Reiniger d. J. 1670 (Biblioteka Gdańska PAN, Oe 46 4˚ Nr. 5 bzw. Nr. 57; in VD17 nicht vermerkt). – In älteren Drucken, vom Beginn des 17. Jh., kommt dieses Ornament häufiger vor. In Deutsche Drucke des Barock (vgl. Anm. 37) sind viele Titelseiten des Leipziger Druckers Thomas Schürer, jeweils mit langen Reihen, aus den Jahren 1607–1611 abgebildet.

[55] Der Titelkopf von Nummer 1691/50 (mit einer langen Reihe dieser Ornamente) ist abgebildet in Bogel & Blühm (s. Anm. 44), Band II, S. 167.

[56] Vgl. Pelczarowa (s. Anm. 17), S. 151; Drukarze (Anm. 40), S. 364; Kranhold (Anm. 40), S. 24. Vgl. auch das Zitat aus Prob und Abdruck … auf der nächsten Seite.

[57] Pelczarowa (s. Anm. 17), S. 151.

[58] Biblioteka Gdańska PAN, Od 20638 8˚ (liegendes Oktavformat).

[59] So bei Pelczarowa (s. Anm. 17), S. 151. Diese Angabe wurde z.B. in Drukarze (Anm. 40), S. 364 nicht explizit korrigiert, auch nicht bei Kranhold. Im Jahre 1661 soll Philipp Christian Rhete einen entsprechenden Katalog gedruckt haben, der ebenfalls zerstört worden sein soll (Pelczarowa, ebd.). Diesen Katalog habe ich bisher noch nicht wieder entdeckt.

[60] In ein paar Fällen gibt es anstatt dieser Zierleisten kleine Holzschnitte.

[61] Das Minuskel-g in Beschreibung ist anders als dasjenige in Wunderlicher Anfang. Beide g-Formen kommen jedoch in dem Beispieltext in Prob und Abdruck … vor.

[62] Kranhold (s. Anm. 40), S. 38f.; 52–82; 109–120.

[63] Kranhold (s. Anm. 40), S. 52–53, Abb. 3 und 4.

[64] S. A1v , Initiale „ES bleibet dabey…“ (hier nicht abgebildet).

[65] S. B1v , Initiale „ES ist E.L. …“ (hier nicht abgebildet).

[66] 2º. HAB. Signatur: Gp 2º 22 (68); abgebildet im Polonica-Katalog unter der Nummer P 2513. (Die Broschüre ist nicht datiert, aber der „Ober-Commandeur der Holländischen Völcker in Dantzig“ P. de Perceval ist nach anderen Quellen im Februar 1657 gestorben.)

[67] Das von mir benutzte Exemplar gehört der BL und hat die Signatur D.cn.2 (nicht in VD17). Die Vignette ist auf S. [7] abgedruckt; die letzte Seite ist leer.

[68] BL, 4034.bb.32(1). (In VD17 ist dieses Buch nicht erfasst.)

[69] HAB, Li Sammelband 40 (5); abgebildet im Katalog (s. Anm. 37) unter der Nummer B 1271.

[70] Public Record Office London, SP 118/2.

[71] RGADA, Moskau, F. 155, Reg. 1, 1668, Nr. 2, fol. 5.

[72] RGADA, ebd., 1666, Nr. 2, fol. 1. – Einige Titelköpfe von Rhete-Zeitungen, darunter auch solche mit der charakteristischen 6-Type, findet man in Bogel & Blühm (Anm. 44), Band II, S. 166–167; Band III, S. 260.

[73] BL, 8563.aaa.34(7); HAB, Xb 3094. (In VD17, Nr. 23:242836S, findet man eine Abbildung der relevanten Titelseite aus dem Exemplar der HAB.)

[74] Diese Titelseite ist abgebildet in: Die deutsche Zeitung des siebzehnten Jahrhunderts in Abbildungen. 400 Faksimiledrucke herausgegeben von Dr. Walter Schöne. Leipzig 1940, S. 100 (Die deutsche Zeitung im ersten Jahrhundert ihres Bestehens 1609–1700. 3). Eine andere Nummer (ebd., S. 122), „Anno 1636. 20. 30. Augusti. Newste Zeitung von Lübeck zu Schiff über See“ – leider ohne Impressum erschienen, aber wahrscheinlich ebenfalls aus der Rhetischen Druckerei in Stettin – enthält zweimal die Ziffer 6 dieses charakteristischen Schnittes. (Georg Rhete, der Vater von David Friedrich, war in den Jahren 1619–1647 als Drucker in Danzig tätig. Gleichzeitig betrieb er seit 1624 auch die alte Rhetische Druckerei in Stettin; vgl. Benzing (Anm. 40), S. 78.)

[75] HAB, 32.38 Pol. (6); abgebildet in Deutsche Drucke des Barock (s. Anm. 37) unter der Nummer A 3602.

[76] RGADA, F. 155, Reg. 1, 1665, Nr. 2.

[77] Genau diese P-Letter wurde meiner Meinung nach auch auf der Titelseite eines Druckes aus dem Jahre 1649 verwendet, ebenfalls mit nur einer der beiden aus späterer Zeit festgestellten Beschädigungen: „Gründliche und Denckwürdige RELATION Der newlichen Cosaken-Unruh Wider Die Cron Polen …“ (s.l., 4º. HAB, Go Kapsel 1 (21); abgebildet im Polonica-Katalog (Anm. 37) unter der Nummer 9461). Vermutlich ist dieser Druck ebenfalls in der Rhetischen Offizin hergestellt worden. Da er jedoch genauso unfirmiert ist wie die „Sabetha“-Broschüren, kann er natürlich nicht zur Identifizierung anderer unfirmierter Drucke herangezogen werden.

[78] Dagegen befinden sich gleich zwei unbeschädigte P-Lettern eines ähnlichen Schnittes in der „Stellenausschreibung“ einer polnischen Privatschule in Danzig, „Polnische Schule / Szkoła Polska“, die nach M. Pelczarowa (s. Anm. 17, Abb. XI links) im Jahre 1678 von D. F. Rhete gedruckt wurde. Anscheinend war spätestens 12 Jahre nach dem Druck der „Sabetha“-Broschüren das beschädigte P durch neue Lettern ersetzt worden.

[79] Bei der Angabe der Zeitperiode, zu denen die genannten Drucker am angegebenen Ort tätig waren, folge ich Benzing (s. Anm. 40).

[80] Als Ausnahme betrachte ich „Dominicks Predigt/ Das ist: Geistliche Handthierung …“ aus dem Jahre 1661 mit einem beschädigten P im Wort „Predigt“ (HAB, 230.48 Theol.(6), abgebildet in Deutsche Drucke des Barock (s. Anm. 37) unter der Nummer A 8631; die Beschädigung unterscheidet sich übrigens von der bei D. F. Rhete mehrfach festgestellten).

[81] Er hatte eine ganze Druckanlage aus den Niederlanden kommen lassen, da er mit der Arbeit der ortsansässigen Drucker – Hünefeld, Müller, Reiniger – nicht zufrieden war. Organisation und Leitung der Druckerei übertrug er im Jahre 1662 Simon Reiniger dem Jüngeren (vgl. Drukarze, Anm. 40, S. 153; Pelczarowa, Anm. 17, S. 161).

[82] Da Johann Reusner am 30. April 1666 gestorben ist, kommt er sowieso nicht als Drucker der acht Broschüren in Frage, denn zumindest zwei von ihnen wurden offenbar erst im Sommer 1666 gedruckt.

[83] Dieser Drucker ist bei Benzing nicht aufgeführt. Nach Drukarze (s. Anm. 40), S. 192, war er in den oben angegebenen Jahren als Drucker in Thorn tätig, danach in Mitau (südwestlich von Riga; heute Jelgava).

[84] Während der Vergleich von Drucktypen für die Zuordnung eine entscheidende Rolle spielte, waren von mir durchgeführte Papieruntersuchungen weniger ergiebig. So habe ich z.B. in den „Sabetha“-Broschüren überhaupt keine Wasserzeichen entdecken können, auch nicht mit den in manchen Bibliotheken vorhandenen speziellen Geräten (Slimlight). Die Bindedrähte sind nicht immer ganz gerade. Das Papier ist sehr schwach geleimt; es erinnert eher an Stoffservietten als an Schreibpapier. Da die Broschüren offenbar sehr schnell produziert werden mussten, wie das auch bei periodischen Zeitungen der Fall war (ungeleimtes Papier – auch geeignet als „Löschpapier“ – saugt die Druckerschwärze auf, auch wenn es vorher nicht befeuchtet wird, was vor allem den Prozess des anschließenden Trocknens beschleunigt; vgl. Martin Welke: Die Entwicklung der frühen Zeitungsdrucktechnik. In: Zeitungsdruck. Die Entwicklung der Technik vom 17. zum 20. Jahrhundert. München 2000, S. 9–28), ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch das gleiche, sehr schlechte und nur schwach geleimte Papier verwendet wurde, das für die Wochenpresse typisch war.

[85] Dagegen wird Nathans Alter mit 32 Jahren angegeben (S. A2); das ist etwa 10 Jahre zu viel, was aber z.B. durch eine undeutlich geschriebene Ziffer 2 in einem handschriftlichen Nachrichtenbrief erklärt werden könnte

[86] Vgl. Edmund Cieślak: Obraz społeczeństwa gdańskiego i jego życia codziennego. In: Historia Gdańska. Tom III/1: 1655–1793 (Kap. 10). Gdańsk 1993, S. 246–278 (hier S. 254).

[87] Nach E. Cieślak (wie Anm. 86, S. 250) war die Verteilung der Bevölkerung Danzigs nach Glaubensbekenntnissen in den Jahren 1651–1675 wie folgt: Lutheraner 82,9%, Katholiken 10,2%, Calvinisten 6,9%.

[88] Über antijüdische Demonstrationen und Tumulte in Polen berichtet u.a. M. Bałaban (wie Anm. 31), S. 88.

[89] Ebd., S. 88 f.

[90] Die für diesen Artikel benötigte Forschung hat mehrere Jahre gedauert, unter anderem, weil sehr viele Forschungsreisen notwendig waren. Ohne die freundliche Hilfe, die mir in allen Archiven und Bibliotheken entgegengebracht worden ist, hätte diese Arbeit nie entstehen können. Ich möchte deshalb in erster Linie den außerordentlich hilfsbereiten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der HAB und des SArch. in Wolfenbüttel herzlich danken. Auch in der BL London, ZB Zürich, UB Thorn und im Moskauer SArch. für alte Akten (RGADA) habe ich alle erdenkliche Hilfe erhalten. Dem Scaliger-Institut der UB Leiden danke ich für ein Forschungsstipendium im Frühjahr 2005 zum Zweck des Studiums der dort vorhandenen niederländischen Pamphlete des 17. Jh., u.a. über Sabbatai Zwi, sowie für die mir gewährte Erlaubnis, alle relevanten Broschüren sofort zu fotografieren. In der UB Greifswald habe ich das gleiche Privileg genossen; außerdem danke ich dieser Bibliothek für die problemlose Genehmigung zur Veröffentlichung der Titelseite von Wunder-seltzsame Relationes. Namentlich erwähnen möchte ich Dr. Adri K. Offenberg und Dr. Emile G. L. Schrijver von der Bibliotheca Rosenthaliana in Amsterdam, die u.a. auch mehrere Anfragen schriftlich beantwortet haben, und ganz besonders Dr. Maria Pelczar, Direktorin der Danziger Bibliothek (BG PAN), die mir unter anderem erlaubt hat, Kopien aller erwähnten Drucke aus dieser Bibliothek zu Illustrationszwecken in meinen Artikeln zu verwenden, sowie Stefania Sychta, Jan Michał Krzemiński und Izabela Wajer, die mir bei allen Besuchen in Danzig sehr behilflich gewesen sind. Krystyna Jackoska-Sarnowska hat geduldig auf alle Fragen über Johan Bensheimer geantwortet.

Auch einigen Privatpersonen bin ich zu großem Dank verpflichtet. Prof. Daniel C. Waugh, Seattle, der sich schon in den 70-er Jahren mit Sabbatai Zwi im slawischen Sprachraum befasst hat, hat immer wieder schriftlich auf meine Fragen geantwortet und auch eine frühere Version dieses Artikels aufmerksam durchgelesen. Dr. Winfried Schumacher, Köln, hat mich auf einige Unstimmigkeiten in der letzten Version hingewiesen und viele stilistische Verbesserungsvorschläge gemacht.


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